Alle Sorgen sind vergessen
ihrer Chefin klang ein wenig gereizt.
Allison trat ein. Eloise saß am Schreibtisch, einen Stift hinters Ohr geklemmt, die Miene finster.
„Kommen Sie herein, Allison.“
„Ich hoffe, ich störe nicht“, sagte Allison und setzte sich auf einen der beiden Besucherstühle. „Haben Sie gerade mit jemandem gesprochen?“
Eloise verzog das Gesicht und zeigte auf ihren Monitor. „Ja, mit meinem Computer. Ich versuche gerade einen anonymen Leserbrief zu schreiben. Wegen der Haushaltskürzungen der Stadt. Er gefällt mir noch nicht.“
„Kann ich helfen?“ fragte Allison. Sie wusste, wie besorgt ihre Chefin war, weil der Bürgermeister Manhattan Multiples die Zuschüsse streichen wollte.
„Sie könnten den Brief lesen und mir sagen, was Sie davon halten.“ Eloise drückte auf eine Taste, und der Drucker warf ihr Schreiben aus. „Da haben Sie ihn. Und seien Sie ehrlich, ja?“
„Soll ich ihn überarbeiten?“ fragte Allison, als ihre Chefin ihr die beiden Seiten reichte.
„Danke, Allison, das wäre sehr hilfreich.“
Eloise’ erleichterter Blick ließ sie lächeln. Sie stand auf und legte den geänderten Vertragsentwurf auf den Schreibtisch. „Ich habe ein Kreuz gemacht, wo Sie unterschreiben müssen.“
„Sie sind ein Schatz.“
„Kein Problem. Ich lese Ihren Brief und schicke Ihnen eine EMail, okay?“
„Großartig!“
Als Allison das Büro verließ, starrte Eloise schon wieder auf den Bildschirm.
Während Eloise ihren zornigen Leserbrief noch ein weiteres Mal überarbeitete, saß Bill Harper, der Bürgermeister von New York, an seinem Schreibtisch und betrachtete ein Foto von Eloise. Wie immer sah es in seinem Büro chaotisch aus, aber eine Besprechung war in letzter Minute verlegt worden, und er hatte die Tür schließen und seine Sekretärin bitten können, keine Anrufe durchzustellen. Jetzt atmete er tief durch und fragte sich, ob er und die Gründerin von Manhattan Multiples jemals wieder Freunde sein könnten.
Mit den Fingerspitzen strich er über das Glas des Bilderrahmens. Sie war noch immer so schön wie damals, als sie beide ganz jung gewesen waren und er sich in sie verliebt hatte. Sie hatte einen anderen Mann geheiratet, aber er hatte nie aufgehört, sie zu lieben.
Die Sprechanlage summte.
Seufzend stellte Bill das Foto zurück an seinen Platz und nahm den Hörer ab.
Hätte Allison ihn in diesem Moment gesehen, hätte sie gewusst, warum Eloise solche Schwierigkeiten mit ihrem Leserbrief hatte. Denn die Beziehung zwischen ihrer Chefin und dem Bürgermeister von New York war alles andere als unpersönlich.
3. KAPITEL
Allison sah auf die kleine Uhr am Herd und blinzelte.
„Schon Mitternacht?“ Sie unterdrückte ein Gähnen, während sie den Stuhl zurückschob und aufstand, um sich zu strecken. Sie presste die Hände in das schmerzende Kreuz und bog sich nach links und rechts, damit die steifen Muskeln sich ein wenig lockerten.
An ihrem freien Abend direkt nach der Arbeit in die Bibliothek zu gehen, um Fachliteratur zu wälzen, war nicht mehr möglich. Stattdessen war sie sofort nach Hause gegangen, hatte den Wecker auf einundzwanzig Uhr gestellt und sich ein Nickerchen gegönnt. Anschließend hatte sie sich ein wenig Pasta erhitzt und gegessen, während sie sich Notizen für den Kurs in Straf recht machte. Sie war den ganzen Tag müde gewesen und jetzt, drei Stunden später, fühlte sie sich regelrecht ausgelaugt.
Sie klappte die Bücher zu und ging ins Bad, wo sie sich die Zähne putzte, das Gesicht wusch, das Haar bürstete und einen weiten Pyjama anzog. Sie drehte sich vor dem Spiegel, betrachtete ihr Profil und strich sich über den noch immer flachen Bauch.
Sie wusste allerdings, dass ihr Baby sich bald zeigen würde.
Mein Baby, dachte sie voller Staunen.
So anstrengend es auch war, sie war fest entschlossen, ihr Jurastudium fortzusetzen. Was sie bei Manhattan Multiples verdiente, würde auf Dauer nicht ausreichen, um ihrem Kind ein gutes Leben zu bieten.
Außerdem quälte sie die Frage, ob sie es Jorge erzählen sollte. Sicher, er hatte ein Recht, es zu erfahren, aber würde er es überhaupt wissen wollen?
Die Ungewissheit ließ sie kaum schlafen, und am nächsten Tag um fünf Uhr nachmittags war sie völlig erschöpft. Als sie das Büro verließ, schlug sie den Kragen hoch und zog den Kopf vor dem herbstlichen Wind ein. Obwohl sie sich nach ihrer warmen Wohnung sehnte, steuerte sie die Universität an, um in ihren Abendkurs zu gehen.
Am Kiosk in der Halle des
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