Alle Sorgen sind vergessen
Seminargebäudes kaufte sie sich einen warmen Tee, bevor sie sich in eine der hinteren Reihen des Vorlesungsraums setzte und sich die Hände am Becher wärmte.
„Entschuldigung.“
Allison sah über die Schulter und drehte sich nach der Frau um, die sie aus verschiedenen Seminaren kannte.
„Hallo.“
„Na? Weißt du, wen wir heute Abend bekommen? Ich habe gehört, dass der Professor verhindert ist und einen Vertreter schickt.“
„Keine Ahnung“, gab Allison zurück.
„Nun ja, wer immer es ist, ich hoffe, er ist besser als sein Vorgänger.“
Allison nickte. „Wenn nicht, gehe ich nach Hause.“
„Ich auch.“ Die junge Frau nickte. Dann sah sie über Allisons Schulter, und ihre Augen wurden groß. „Wow. Ich glaube, ich werde bleiben.“
Neugierig drehte Allison sich nach vorn. Ein großer, breitschultriger Mann zog gerade seinen Mantel aus und warf ihn über den Schreibtisch.
Allison runzelte die Stirn. Er kam ihr bekannt vor. Das kurze, schwarze Haar schimmerte im Licht, und der graue Anzug saß perfekt am athletischen Körper.
Das kann nicht sein, dachte sie.
Als er sich umdrehte, hielt sie unwillkürlich den Atem an. Sie kniff die Augen zu und riss sie wieder auf. Jorge Perez war immer noch da, öffnete einen Aktenkoffer und nahm Unterlagen heraus, während er sich im Raum umsah, der sich jetzt rasch mit Studenten füllte.
Unwillkürlich machte Allison sich auf ihrem Sitz klein. Leider waren die beiden Plätze vor ihr leer, und Sekunden später merkte sie, wie sein Blick sie erfasste und kurz auf ihr ruhen blieb.
Sie spürte, wie ihr heiß wurde, und sah sich verlegen um. Aber niemand hatte bemerkt, wie sie errötet war. Sämtliche Frauen waren damit beschäftigt, Jorge anzustarren, während die Männer in ihre Bücher schauten.
„Nette Vertretung“, flüsterte die Frau hinter Allison. „Ich glaube, mir ist egal, ob er gut ist. Mir reicht der Anblick.“
Allison rang sich ein mattes Schmunzeln ab.
Drei andere Frauen kamen den Mittelgang entlang und setzten sich in Allisons Reihe.
„Hey“, murmelte eine von ihnen, „seht euch den Professor an.“
„Nett“, erwiderte die zweite der Frauen, während die dritte Studentin dramatisch seufzte und so tat, als würde sie sich frische Luft zufächern.
„Besser als nett. Heiß, sehr heiß.“
„Wer ist das? Ob er verheiratet ist?“
„Und wenn schon“, erwiderte die erste.
Allison biss die Zähne zusammen und hätte ihnen am liebsten gesagt, was sie von ihrem albernen Gerede hielt.
Aber dann musste sie sich beherrschen, um nicht laut aufzustöhnen. Die Erkenntnis, dass ihre Reaktion etwas mit Eifersucht zu tun hatte, traf sie wie ein Schlag.
Ich will das nicht, dachte sie verzweifelt. Dass sie eine Nacht in seinem Bett verbracht hatte, war noch lange kein Grund, ihn für sich zu beanspruchen.
Trotzdem gingen ihr ihre Sitznachbarinnen immer mehr auf die Nerven, und sie war froh, als Jorge um Ruhe bat und mit seiner Vorlesung begann.
Während der folgenden anderthalb Stunden schrieb Allison fast alles mit, was er sagte. Wie sie, so begriffen auch die anderen Studentinnen rasch, dass er nicht nur großartig aussah, sondern auch äußerst intelligent und scharfsinnig war.
Er sah nur selten in seine Aufzeichnungen, ging beim Reden auf und ab und hielt dabei nach erhobenen Händen Ausschau. Jede Frage beantwortete er ausführlich, aber nicht langatmig, und stellte sicher, dass die Studenten seine Erklärung verstanden hatten, bevor er mit dem Lehrstoff fortfuhr. Wenn sein Blick jedoch Allison erfasste, verriet nichts, dass er sie kannte. Kein auch nur angedeutetes Lächeln, keine hochgezogene Braue – es war, als hätte die Nacht im Hotel nie stattgefunden. Und irgendwie fühlte sie sich zurückgewiesen.
Als er die Vorlesung beendete und um weitere Fragen bat, war Allison so erschöpft, dass sie den Stift auf den Notizblock fallen ließ und nur mit Mühe ein Gähnen unterdrücken konnte.
Während er einem Frager etwas erklärte, was er bereits ausführlich erläutert hatte, fielen ihr die Augen zu. Hastig riss Allison sie wieder auf, sah auf die Uhr und überlegte, ob es unhöflich wäre, einfach aufzustehen und zu gehen. Als sie mühsam den Kopf hob, nahm sie wahr, dass Jorge sie ansah. Sie erstarrte, einen Moment später wanderte sein Blick jedoch weiter.
Nur noch zwanzig Minuten, dachte sie. So lange werde ich doch wohl noch wach bleiben können.
Sie zog sich den Mantel um die Schultern und konzentrierte sich auf den
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