Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
war nochmal der Unterschied zwischen Rosinen, Sultaninen und Korinthen? Und der Eierschneider. Pling, plang, ploing. Gitarre konnte ich immer noch nicht spielen.
In die eine Kraßelschublade flog alles rein, was zum Wegschmeißen zu schade war. Halbe Kulihülsen, Bleistiftstummel, Gummibänder, Fahrradschlüssel, die stumpfe Küchenschere, ein angesengter Topflappen mit aufgedrucktem Zwiebelsuppenrezept und die kaputte grüne Taschenlampe, aber auch Kleingeld.
Fürs Wohnzimmer hatte Mama erst vor kurzem drei weiße Kugellampenschirme angeschafft. Der mit bunten Kügelchen beklebte Holznapf, der an der Wand hing, war ein Mitbringsel von Mamas Freundin aus Venezuela. Ob die da wirklich ihren Brei aus solchen Näpfen aßen?
Untendrunter der Thermostat. Mit dem unscheinbaren Dings hatte man die Heizungen im ganzen Haus unter Kontrolle. Wie das funktionierte, würde ich nie kapieren. Ein Rätsel war auch, wieso man in den beiden lackierten Muscheln das Meer rauschen hören konnte. Ob das dadrin auch rauschte, wenn man sie nicht ans Ohr hielt?
Auf der Fensterbank stand eine Flasche Slibowitz, die Papa von einem Arbeitskollegen geschenkt gekriegt hatte. An dem Fusel brauchte man nur zu schnuppern, und schon stiegen einem Tränen in die Augen.
Im neuen Stern der Witz der Woche, schon zehnmal gelesen.
Kataloge von Quelle, Neckermann, Bader und Schöpflin und die großformatigen Time-Life-Bücher, die Papa aus Amerika mitgebracht hatte. Über die Planeten, die Dinosaurier und die Ozeane. Die bunten Fotos waren ja noch gut, aber das englische Geschreibsel konnte auch Papa unmöglich alles gelesen haben.
Was wir so für Bücher hatten. Der Spion, der aus der Kälte kam. Käuze, Schelme, Narren. Traumland Südwest: Tiere, Farmen, Diamanten. Peter Bamm und Jochen Klepper. Mümmelmann von Hermann Löns. Der Pate, Homo Faber und Bonjour Tristesse. Zerlesen waren nur die roten Krimis, die oben in der zweiten Reihe standen.
Farbige Wohnfibel. Die sah ich mir spaßeshalber auch mal an. Unter dem Foto von einem kotzig eingerichteten Wohnzimmer stand da: Zur Braun-Skala der in Teak ausgeführten Schrankwand bilden das dunkelgrüne Karomuster des Fensterstoffes und das satte Laubgrün der Sesselbezüge einen natürlichen Gegensatz, der die Atmosphäre des Raumes auf angenehme Weise belebt. Den Mittelpunkt dieser naturnahen Konzeption bildet die geschliffene Kugeloptik der tiefhängenden Pendelleuchte über dem Tisch.
Oje. Wie schwer es war, ein Haus zu bauen, hatte ich ja mitgekriegt, aber daß auch das Möbelreinstellen eine Wissenschaft war, hätte ich mir nicht träumen lassen.
Ein anderes Buch hieß Mutter und Kind. Mit Farbtafeln: Brustdrüsenschwellungen, Schälblasen, Ekzeme, Furunkel, Abszesse, Wanzenstiche und Rachenraumkrankheiten. Die verschiedenen Säuglingsstühle: Frauenmilchstuhl, Flaschenmilchstuhl, Kindspech, Ruhrstuhl, durchfälliger Stuhl und Stuhl bei Milchnährschäden.
Angina, Syphilis und Tripper. Wie eine Milchpumpe angelegt wird. Hohlwarzen und Flachwarzen.
Die Geschlechtsorgane der Frau. Große und kleine Schamlippen, Kitzler und Harnröhre.
Bei Licht betrachtet sah das alles nicht halb so schön aus wie in Mamas Zeichenunterrichtsbuch. Da waren massenhaft nackte Frauen zu sehen, und zwar auf den Seiten 20, 21, 31, 41, 44, 124, 136, 137, 138, 139, 144, 153, 159, 160, 164, 165, 166, 167, 168 und 169. Dann kam Animal Drawing.
Nebenan in Papas Arbeitszimmer sah ich mir im Telefonbuch die Seite mit den Namen der Leute an, die Ficker hießen. Daß die sich nicht schämten: »Hier bei Ficker!« Und was deren Kinder erst zu erdulden hatten: »Hey, Ficker! Wie geht’s, Ficker?« Die Leute, die Fick, Fickel oder Fickelt hießen, hatten’s auch nicht viel besser.
Für Besucher standen hier zwei Sessel, in denen nie jemand saß.
Das Poster mit dem aufgespießten Mann hatte Papa irgendwann eingemottet. Neben einer Ansicht von Königsberg und der Karte von New York hingen die gerahmten Fotos von Papas Eltern an der Wand. Opa Schlosser war Pfarrer gewesen und schon vor meiner Geburt gestorben. Der schwarze Opa. Bei dem hätte ich auch nicht gerne Katche gehabt, so wie der aussah. Ob der jetzt wohl aus dem Himmel auf mich runterkuckte?
Eine hellbraune Tonne mit zusammengerollten Bauzeichnungen, der immer abgeschlossene Panzerschrank mit den schönen Loks und eine Geschoßhülse, die fast so hoch war wie der Schreibtisch und von Papa als Aschenbecher benutzt wurde.
Aktenordner und Prospekte von Kibri,
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