Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
vorgehabt, als Profi der Borussia die Treue zu halten und niemals ins Ausland zu wechseln, auch bei noch so guten Angeboten nicht, weil ich doch Gerd Müllers Torrekord in der Bundesliga brechen wollte.
Beim Endspiel gegen Leeds United um den Europapokal der Landesmeister schoß Gerd Müller auch wieder ein Tor, das 2:0, aus fünf Metern Entfernung, nach einer Flanke von Jupp Kapellmann, und was störte, war nur Renate, die mit ihrem Abiturzeugnis rumwackelte.
Sie wollte Lehrerin werden, aber vor dem Studium noch nach Birkelbach auf die Hausfrauenschule gehen, um Kochen und Backen zu lernen und wie man Hemden bügelt und Silber putzt. Als junge Frau war da auch Oma Schlosser hingegangen.
Die Nachfolge von Hennes Weisweiler sollte Udo Lattek übernehmen. Das war ein schweres Amt, das sowohl Ehre als auch Verpflichtung war. Darüber mußte sich der Lattek im klaren sein.
Renate hatte Olaf und dessen Eltern zu uns eingeladen, damit Mama und Papa die mal kennenlernten. Von dem Marmorkuchen, den Mama dafür gebacken hatte, durfte man nur abbeißen, wenn man dabei die Luft anhielt, sonst flogen einem die Brösel im Hals rum, und man mußte husten.
Weil Papa schon nach zehn Minuten wieder im Keller verschwunden war, gab es am Abend noch einen lautstarken Streit.
Ich stand mit Wiebke oben an der Kellertreppe. Irgendwann wurde die Garagentür zugeknallt, und Mama kam weinend die Stufen hoch.
»Schert euch ins Bett«, sagte sie bloß und stürmte ins Elternschlafzimmer, das sie von innen zuschloß.
Ob das in anderen Familien auch so war? Und wo Papa wohl schlafen ging. Hinten im Peugeot? Oder auf dem Sofa im Hobbyraum?
Im Juni wollte Renate mit Olaf an die Côte d’Azur fahren und nähte schon Gardinen für Olafs gebraucht gekauften VW-Bus.
»Und mit der alten Schindmähre wollt ihr nach Frankreich?« fragte Papa, als er den VW-Bus zum erstenmal bei uns in der Einfahrt stehen sah, aber Renate kümmerte sich nicht groß darum. Die brauchte nicht mehr nach Papas Pfeife zu tanzen und nahm vielleicht sogar schon die Pille.
Beim Spiel gegen Schalke führte Gladbach die Vorentscheidung über die Meisterschaft herbei. 0:1 Simonsen (35., Foulelfmeter),
0:2 Bonhof (40.), 1:2 Lütkebohmert (50.), 1:3 Heynckes (85.). Das war’s! Geschafft! Gladbach war Deutscher Meister! Daran konnte jetzt keiner mehr rütteln. Die beiden restlichen Spiele waren reine Routine.
Schon erstaunlich, daß alle Mannschaften, denen ich die Daumen drückte, sich die Siegestrophäen holten. Erst die Nationalmannschaft bei der WM, dann Gladbach im UEFA-Pokal, dann Bayern im Europapokal und jetzt Gladbach in der Bundesliga. Das konnte man ja wohl kaum noch als Zufall bezeichnen. Als ob ich ein Glücksbringer wäre.
Udo Lattek übernahm da wirklich eine schwere Hypothek als neuer Trainer, wenn er an Weisweilers Siegesserie anknüpfen wollte. Bis ich selbst die Mannschaft verstärken könnte, würde es ja noch das eine oder andere Jährchen dauern.
An ihrem Geburtstag schoß Wiebke wie ein geölter Blitz auf den Tisch mit den Geschenken los. Die hatte noch gar nicht gerafft, daß sie das alles hier vergessen konnte nach dem Umzug, auch ihre kuchenfressenden Freundinnen, mit denen sie am Nachmittag im Garten rumhopste.
Die Zeugnisse gab’s am Freitag, dem 13. Würg. Ich hatte fünf Zweien, eine Drei und vier Vieren, auch in Englisch, wo ich immer noch keine große Nummer war.
Für das Zeugnisgeld bestellte ich mir beim Tauschdienst die Bilder, die mir für mein Sammelalbum von Sprengel noch fehlten. Vier Mark achtzig hatte das Album gekostet, was verhältnismäßig billig war, aber wenn man das Geld für die Schokoladentafeln mit den Bildern dazurechnete, jede für neunzig Pfennig, war das vollgeklebte Album fast fünfundachtzig Mark wert.
Da hätte mal der Stern was drüber schreiben sollen, unter Wucher der Woche.
Am letzten Schultag den Ranzen in die Ecke zu bollern, darauf konnte man sich schon freuen. Michael Gerlach wollte in seinen Ranzen in den Ferien jedesmal reinfurzen, wenn er furzen mußte.
In Bremen schoß Jupp Heynckes zwei Tore und war damit Torschützenkönig. In der ewigen Liste führte aber immer noch Gerd Müller (281 Tore) vor Heynckes (175), Löhr (143) und Seeler (137). Irgendwann würde dann meine Wenigkeit kommen und aufholen. Da würde sich noch manch einer umkucken.
Abgestiegen waren der VfB Stuttgart, Tennis Borussia und der Wuppertaler SV. Wie beschissen sich die Leute jetzt wohl fühlten, die da wohnten.
Für die
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