Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
deine Reichtümer überweisen?«
Die Evangelen hätten’s gut. Bei Katholiken sei die Kommunion schon für Kinder im Alter von sechs oder sieben Jahren fällig, und da sei’s natürlich nicht weit her mit Geldgeschenken, aber manche Konfirmanden würden sage und schreibe fünfhundert Mark hinten reingeschoben kriegen! Oder sogar tausend! »Und wir Katholen müssen uns mit einem Bruchteil zufriedengeben! Mit ’nem winzigen Almosen werden wir abgespeist! Mit fünfzig Mark vielleicht, wenn’s hochkommt, und ’ner kleenen Kinderarmbanduhr dazu! Pah! Ich finde, wir sind unterprivilegiert! Am besten wär’s, der Staat würde ’ne Ausgleichssteuer einführen, und die müßtet dann ihr Evangelen zahlen, und was da zusammenkommt, wird unter den Katholiken aufgeteilt.« Er lachte und rieb sich die Hände. »Das wäre nur recht und billig!«
Als er abgefahren war, ging ich noch einmal ums Karree: Herzogstraße, Kellners Tannen, Hubertusstraße, Georg-Wesener-Straße. Dem Schicksal eine Chance geben. Vielleicht lief ich ja der Liebe meines Lebens in die Arme.
Doch mit Liebeleien sah es an diesem Tag tatsächlich schlecht aus. Wäre ja auch ’n Ding gewesen.
In der Küche lief Renate morgens der Hamster entgegen. Wiebke hatte den Käfig nicht richtig zugemacht, und da war das Vieh die ganze Treppe runtergekraxelt und in die Küche geflitzt. Das mußte schon vor elf Uhr abends passiert sein, denn um elf hatte Renate die Küchentür zugemacht.
Im Käfig schaufelte sich Pepik Körner in die Backentaschen, bis er breit war wie ’ne Flunder.
Der Radowski spielte mir in der Musikschule die »Inventio I« vor und sagte, daß man Bach nicht zu unrecht den fünften Evangelisten genannt habe.
In dem Stück war die zweite Stimme ein Echo der ersten, und trotzdem paßte alles harmonisch zusammen, solange man sich nicht verspielte. Das hatte was von Mathe. So als ob Bach sich gesagt hätte: Hier gehört nach Adam Riese diese Note hin und keine andere. Kompositionen wie von ’nem Elektronengehirn, aber da mußte man eben durch, wenn man’s als Pianist zu was bringen wollte.
Die Zitterpartie gegen Sturm Graz, in die Eintracht Frankfurt sich bei Schnee und Glatteis begeben hatte, entschied Bernd Hölzenbein durch ein Tor in der 85. Minute.
Hölzenbein: Mit so einem Namen Flügelläufer und sogar noch Fußballweltmeister zu werden, das war auch eine Kunst für sich.
Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 hatte es mit sich gebracht, daß die Leute überall das gleiche glauben mußten wie ihr jeweiliger Landesherr. Cuius regio, eius religio. Wessen das Land, dessen der Glaube. Und wenn sich da einer mausig machte, weil er was anderes glaubte – Rübe runter, zack! Noch irgendwer ohne Fahrschein ins Jenseits? Und die anderen Ungläubigen oder Andersgläubigen hielten dann den Mund.
Was das mit der christlichen Nächstenliebe zu tun haben sollte, hätte ich ja gern mal gewußt.
Am schwierigsten von allen Hausaufgaben waren die in Physik.
Welche Masse hat eine 0,8 cm dicke Schaufensterscheibe, die 4 m lang und 2 m hoch ist? Welche Gewichtskraft (in N und kp) würde sie auf dem Mond erfahren?
Was sollte man denn auf dem Mond mit ’ner Schaufensterscheibe? Das war es, was ich so bescheuert fand an Physik und Mathe, daß man sich das Hirn zermartern sollte über den unmöglichsten Klimbim. Was ging mich die Gewichtskraft einer Schaufensterscheibe auf dem Mond an? Ich hatte andere Probleme: Wann würde ich mal wieder Post kriegen? Wo war die Nagelschere, wenn ich mir schon mal die Fußnägel schneiden wollte? Wie würde Gladbach sich im Rückspiel gegen Real Madrid bewähren? Und wo steckte Mamas zweiter Brief aus Afrika?
»Den hat Papa mit ins Büro genommen«, sagte Renate. Sie rotierte in der Küche, Essen vorkochen für drei Tage, weil sie nach Bielefeld fahren wollte, um sich da zu immatrikulieren und sich ’ne Wohnung zu suchen, und dann wollte sie weiter nach Birkelbach zur großen Abschiedsfeier.
Zu einer Studentenbude in der Großstadt hätte ich auch nicht nein gesagt. Entweder das – oder als millionenschwerer Fußballstar in einem supermodernen Luxusapartment wohnen. Und wenn Mama und Papa mich da mal besuchen kämen, würden ihnen die Augen aus dem Kopp quellen: echte Picassos an der Wand, Eisbärenfell vorm Kamin, Orientteppiche, Quadro-Anlage ... und dann kommt mein Butler rein: »Euer Gnaden haben geläutet?«
Und draußen vorm Haus ’n Rolls-Royce mit Chauffeur.
Abends wurde zuerst gezeigt, wie Bayern
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