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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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leider ohne Wasseranschluß. Ein kleines Waschbecken und ein WC befänden sich auf dem Flur. Die Möbel seien ziemlich brasselig und oll, aber der Kühlschrank sei verwendbar, und Tante Gertrud habe ihr einen alten Schreibtisch versprochen. Und zur PH wären’s bloß fünf Minuten zu Fuß. Gleich nach Ostern könne sie da einziehen.
    Fürs Wochenende hatte Renate nicht genügend Büchsenmilch eingekauft, und Papa schimpfte deswegen mit ihr, und dann rief Mama an und gab durch, daß sie nach Südafrika weitergereist sei, um da noch eine alte jeversche Schulfreundin zu besuchen.
    »Ich hab in ’ne Zigeunersippe reingeheiratet«, sagte Papa.
    Mein Rad hatte ich schon beim Ausbruchs des Streits über die Büchsenmilch nach unten gebracht.
    In Deutsch wurden Frühlingsgedichte durchgenommen.
    Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
    durch des Frühlings holden belebenden Blick ...
    Wir sollten uns vergegenwärtigen, sagte der Wolfert, daß die Menschen damals ja noch ohne den Komfort der Industriegesellschaft hätten überwintern müssen. Das Gros der Bevölkerung sei bitterarm gewesen. »Die meisten Leute haben in ihren Hütten und Häuschen gezittert und gefroren und – salopp gesagt – vor sich hin gestunken, und wenn dann der Frühling dieser Drangsal ein Ende bereitete, war das jedesmal wie ein Befreiungsschlag. Das sind Faktoren, die bei der Interpretation von Naturlyrik durchaus auch eine Rolle spielen. Zählen wir doch mal auf, was den Zeitgenossen Goethes noch so alles gefehlt hat. Schlosser!«
    Upps. Tja, was hatte den Zeitgenossen Goethes denn noch so alles gefehlt im Winter?
    »Warmwasserleitungen?«
    »Richtig. Weiter! Was noch?«
    Der Dralle zeigte auf und sagte: »Fernsehen.«
    Alle lachten, aber der Wolfert meinte, das sei gar nicht so falsch. Ohne die heutigen Massenkommunikationsmittel habe sich so mancher Winterabend in der Goethezeit fast unerträglich lange hingezogen für die einfache Bevölkerung.
    Renate kochte schon wieder Essen vor, weil sie Olaf zu dessen Geburtstag besuchen wollte, und Papa stampfte nach einem neuen Streit mit ihr wutgeladen die Kellertreppe runter und reagierte sich in der Werkstatt ab, indem er da seine Maschinen aufheulen ließ.
    »Ich hab nun mal Sehnsucht nach Olaf«, sagte Renate und knallte ein Brett auf den Küchentisch und hackte Zwiebeln klein. »Wenn Papa dafür kein Verständnis hat, kann ich ihm auch nicht helfen!« Sie habe sich hier nun doch wahrlich als fleißiges Lieschen betätigt, seit Wochen, und da könne Papa ihr es doch ruhig gönnen, daß sie Olaf mal besuche. »Das ist immerhin der zukünftige Vater von Papas Enkelkindern!« Und sie tue ja alles Notwendige, damit wir hier die Mahlzeiten nur aufzuwärmen brauchten. »Aber Papa wirft mir vor, daß ich egozentrisch bin und mich einen Dreck für die Familie interessiere! Bloß weil ich mal wieder für zwei Tage rauswill aus diesem Irrenhaus!«
    »Im Kittchen ist kein Zimmer frei« hieß ein Film, in dem Jean Gabin einen Tippelbruder spielte, der es darauf anlegte, die Wintermonate behaglich im Gefängnis zu verbringen, aber damit kam er, wie der Titel schon sagte, nicht durch, obwohl er auf Deubelkommraus die Gesetze brach: Er haute ein ganzes Café in Klump, hielt den Verkehr auf, störte die öffentliche Ruhe und beleidigte einen Polizeibeamten – alles ohne den gewünschten Erfolg. Jeder Schuß ging nach hinten los.
    Sonderbar. Junge, wenn ich noch daran dachte, wie mich die Bullen damals zur Brust genommen hatten, 1972, wegen zwei lumpigen Matchboxautos, als ich bei Woolworth in Koblenz beim Ladendiebstahl erwischt worden war! Und Mama hatte mir sechs Wochen Hausarrest aufgebrummt!
    An einem Donnerstag war das gewesen, und es hatte lange gedauert, bis mir Donnerstage wieder wie normale Wochentage vorkamen. Und dann noch dieser schaurige Moment, irgendwann Anfang ’73, als wir uns alle bequem vor der Glotze gefläzt hatten, und in den Nachrichten war plötzlich die Zahl der im letzten Jahr in der Bundesrepublik Deutschland begangenen Ladendiebstähle genannt worden. Mindestens ’ne halbe Stunde lang hatte ich danach noch wie versteinert auf den Teppichfliesen gelegen.
    Nach dem Frühstück, bei dem nicht mehr als das Allernötigste gesprochen worden war, ging Papa aus dem Haus, ohne ein Wort des Abschieds, und Renate mußte vor ihrer Abreise noch den Tisch abräumen und die Küche machen und danach zu Fuß zum Bahnhof laufen, die Herzogstraße hoch, an den froststarren Bäumen vorbei.
    Gegen Hertha

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