Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
hatte sich ein Pfarrer mit Benzin übergossen und verbrannt, aus Protest gegen die drakonische Kirchenpolitik der SED. Oskar Brüsewitz.
Zum Gruseln. Ob das wirklich so schlimm war da drüben? Oder hatte der Mann einen Sparren lockergehabt?
Darüber könnten wir uns hier kein Urteil erlauben, sagte Mama.
In einem Interview mit dem Spiegel wurde Helmut Kohl hart herangenommen: »Sie insinuieren für unscharf denkende Wähler mit Ihrem Wahlslogan ›Freiheit oder/statt Sozialismus‹, der von der SPD vertretene Sozialismus ähnele dem DDR-Sozialismus.« Darauf Kohl: »Das ist eine Unterstellung, ich insinuiere dies nicht.« Insinuieren? Dieses Wort mußte ich in meinem Fremdwörterlexikon nachschlagen.
Insinuieren, jem. etw. auf feine Art, unmerkl. beibringen, zuflüstern; unterstellen.
Die Befürchtung, daß Helmut Schmidt die Bundesrepublik dem Ostblock ausliefern werde, teilte Mama nicht. »Mit den Jusos kannst du mich jagen«, hatte sie mir mal gesagt, »besonders mit dieser Wieczorek-Zeul«, aber die Ostpolitik der SPD habe doch zu guten Ergebnissen geführt, zur Erleichterung der Reisen zwischen Ost und West und zur Entschärfung der Weltkriegsgefahr. 1962, »wenn ich daran noch denke, wie da die Kriegsschiffe der Supermächte aufeinander zugerollt sind! Da dachte man ja schon, jetzt knallt’s!« Und da hätte ich als Säugling eben erst das Licht der Welt erblickt.
Zwei Omas klingelten bei uns und sagten, sie hätten eine Katze hüten sollen, und dann sei sie ihnen weggelaufen. Jetzt wollten sie wissen, ob unsere Katze diejenige welche sei.
War sie aber nicht.
Später kam noch eine andere Frau. Der ihr Kater war gestorben, und sie wollte einen Ersatz dafür haben, und dieser Frau gab Mama unser Kätzchen mit. Von Wiebkes Zimmer aus schoß ich mit meiner Kamera ein Foto von dieser Frau, wie sie mit der Katze auf dem Arm unser Grundstück verließ. Auf dem Foto war nachher von der Katze aber nicht mehr als der Schwanz zu sehen neben dem speckigen Oberarm der Abholerin.
Michael schrieb mir, daß mein Brief aus Meppen eine nette Abwechslung gewesen sei.
Wenn man sonst nur Groschenromane und Heimatgeschnulze über die Berge liest, ist einem ja selbst der größte geistige Dünnschiß willkommen.
Hoch in den Bergen habe es dann aber Ärger gegeben:
Nach 2½ Stunden kamen wir endlich oben an, und Mann, was haben wir uns auf ein deftiges Mittagessen gefreut. Tür auf, reingeschaut: Katastrophe! Alles besetzt! Bis auf den letzten Furziplatz!
Auf Michael Gerlach wartete eben überall das Pech, genauso wie auf mich.
Bei der Versandfirma Zweitausendeins bestellte ich mir eine LP von Cat Stevens. Bezahlung per Nachnahme: Das hieß, daß man das Geld für die Ware dem Postboten geben mußte, der sie einem brachte.
Hoffentlich taugte diese Platte was.
Mama rief Renate an: Im September könne sie hier bei Comet arbeiten. Da würden auch ungelernte Kräfte eingestellt.
In der »Zeit-Lupe« lautete die neue Frage, ob sich das Schriftdeutsch hemmend auf den Wortschatz der hochdeutschen Umgangssprache auswirke. Das war meine Chance. Ich schrieb, daß das Perfekt – »Ich habe gesagt« – in der Umgangssprache gängiger sei als das Präteritum – »ich sagte« –, und sonderte noch ein paar andere Klugscheißereien ab, die mir das nächste Honorar einbringen sollten. 25 Eier abzüglich 50 Pfennig Porto: kein schlechtes Geschäft, wenn’s denn klappte.
Ums Geld kämpften auch die Versicherungsheinis, die runde fünfhundert Mark weniger rausrücken wollten, als Mama gefordert hatte,
Minderwert bei der Bagatellhaftigkeit des Schadens unter Bezugnahme auf den 13. Verkehrsgerichtstag in Goslar nicht gegeben. Auf Grund der Neuwertigkeit des Wagens übernehmen wir Beipolierungskosten in Höhe von 75.- DM.
»Was geht denn mich der dreizehnte Verkehrsgerichtstag in Goslar an!« rief Mama. »Die sollen mir den Schaden bezahlen!«
Beipolierungskosten, das war auch so ein Wort aus der Erwachsenenwelt.
Abends fuhr Mama wieder zur Elternversammlung, und ich wollte mich im Wohnzimmer vor die Röhre setzen und mir unbehelligt den französischen Spielfilm »Die süße Haut« ankucken, aber Mama kam schon kurz vor neun Uhr wutentbrannt zurück. Gerade mal fünf jämmerliche Existenzen seien da erschienen, und das bei einer Klassenstärke von 32 Schülern! Die geplante Wahl der Klassenelternschaftsvertreter sei damit flachgefallen.
Den Film mußte ich mir dann mit Mama zusammen ankucken. Dem Titel zum Trotz kamen keine
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