Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
einer knappen halben Stunde stand es 1:0 für Gladbach, und dabei blieb es bis zwei Minuten vor Schluß. Dann fiel ein Gegentor, aber sofort danach schoß Rainer Bonhof mit einem hammerharten Freistoß das 2:1.
Was daran so aufregend sei, werde er wohl nie verstehen, sagte Michael. »Ein Haufen Erwachsener wetzt einem Ball hinterher ...«
Ich hätte es nicht geglaubt, wenn es mir vorher geweissagt worden wäre, aber es war wirklich so: Michael fiel mir auf den Wecker. Mein bester Freund!
Vorm Zubettgehen zogen wir uns Fausthandschuhe an und boxten leere Teedosen hin und her. Sir Winston Finest Broken Orange Pekoe. Der, auf dessen Zimmerhälfte die Dose zu Boden fiel, hatte verloren. Irgendwann saßen wir mit einem Haufen verbeulter Dosen da, und Michael sagte: »Das bringt’s nicht.«
Das brachte es tatsächlich nicht. Ohne Michael wäre ich wieder allein gewesen in meinem Zimmer, und ich hätte nicht mehr darüber grübeln müssen, was wir am nächsten Tag miteinander anstellen sollten. In der Innenstadt waren wir schon gewesen, den Wald fand Michael doof, und sonst gab es in Meppen ja nichts. Von Michaela mal abgesehen.
There is one love I should never have crossed ...
Ob ich ihm von der erzählen sollte? Besser nicht. Erstens gab es da praktisch nichts zu erzählen, und zweitens verriet er mir ja selbst nichts über solche Sachen.
Nach dem Frühstück spielten wir wieder Scrabble, und ich zog die Buchstaben und R, I, N, T, O, E und Z. Immerhin drei Vokale. Damit müßte sich was machen lassen, dachte ich und ging die Möglichkeiten durch: NOT ... ZEIT ... ZOTE ... ROTZ ... NOTIZ ... und dann erreichte mich der Geistesblitz: ZITRONE. Alle sieben Buchstaben auf einmal! Kriegte man dafür nicht Extrapunkte?
Als Abstauber fügte Michael unten kaltlächelnd ein N hinzu und sahnte den dreifachen Wortwert ab.
In Streit gerieten wir danach über das von mir ausgelegte Wort FURZ. Das stand nämlich ebenfalls nicht im Duden. Wozu war der überhaupt gut, wenn jeder zweite umgangssprachliche Begriff darin fehlte?
Michael kam mir mit einem Kompromißvorschlag entgegen: »Ich laß dein Wort gelten, aber dann mußt du auch das nächste von mir akzeptieren!«
Es lautete: NASSFURZ. Und dafür wollte Michael abermals den dreifachen Wortwert einsacken.
Ich ging darauf ein, weil ich das Wort mit meinen neuen Buchstaben verlängern konnte: NASSFURZGEFAHR. Daran bauten wir die Wörter MEHLSAU, RÜLPS und KACKI an, und Michael meinte, es wäre ihm nun doch etwas unangenehm, wenn meine Mutter zufällig ins Zimmer käme.
Als ich dann selbst einmal vom Klo zurück ins Zimmer kam, flammte ein Blitzlicht auf: Michael hatte ein Foto von mir geschossen, mit meinem Apparat. »Damit du auf dem Film nachher wenigstens ein einziges Bild hast, das was geworden ist«, sagte er. »Und damit du dich mal selbst so sehen kannst, wie andere dich sehen.«
Am Nachmittag wollten wir nach Lingen trampen, um auch da mal rumzulatschen. In Lingen konnte es schließlich nicht mieser sein als in Meppen.
Wir schlugen uns zur B 70 durch und hielten den Daumen raus, an einer Stelle, die mir geeignet erschien, weil die Autofahrer uns gut sehen konnten, schon von ferne, aber da hatte ich mich verkalkuliert: Geschlagene zwei Stunden lang standen wir da wie die Blöden am Straßenrand, und die Verkehrslawine rollte an uns vorbei, ohne daß ein einziger Wagen anhielt.
»Jetzt könnte ich daheim in meinem Bett liegen und Marmeladenbrote essen«, sagte Michael. »Und stattdessen verplempere ich hier meine kostbaren Ferientage als Vogelscheuche irgendwo im Emsland, mit ’nem Starrkrampf im Daumen, und mir ist kalt! Ich geb’s auf! Von deinen Scheißmeppenern nimmt uns ja doch keiner mit, und in Lingen wär’s bestimmt genauso langweilig wie hier!«
Ich tröstete mich damit, daß wir mit den dreizehn Mark, die ich in der Tasche hatte, in Lingen ohnehin nicht weit gekommen wären.
In meinem Zimmer legte ich eine LP von Insterburg & Co. auf den Plattenteller.
Ich saß bei Fräulein Hildegard auf ihrem Canapé.
Sie aß einen Negerkuß, und ich aß ein Baiser ...
Das brachte es aber irgendwie auch nicht so richtig. Um die Zeit totzuschlagen, fingen wir wieder mit Scrabble an. Es kamen immer perversere Wörter zustande: GLIBBMAUL, FETTKLO, BUMSFIGUR und QUALENPISSE, und das war irgendwann noch weniger zum Aushalten als das Nichstun.
Wir kickten dann noch lustlos ein paar Teedosen hin und her, denn im Fernsehen lief nur lauter Mist.
Paul McCartney hatte
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