Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
eine brandneue Platte aufgenommen, mit seiner neuen Band, den Wings, aber davon hatten die Idioten in dem Plattengeschäft vor der Hubbrücke keine Ahnung: »Nee, das müßte mir bekannt sein«, sagte ein beschnäuzerter Typ, der an der Ladenkasse saß.
Ganz gut war dann ein Film über einen amerikanischen Wissenschaftler, der nach einem Autounfall schwerverletzt in den Ostblock verschleppt und mit Hilfe von Metallstücken wieder zusammengeflickt wurde. Sogar der Kopf bestand außenrum aus Metall, und als der Mann nach einem halben Jahr in den Westen zurückkehrte, fragten sich die Amis, ob die Russen ihnen da einen getarnten Geheimagenten unterjubeln wollten.
Mit dem würde er nicht tauschen wollen, meinte Michael. »Oder hättst du Lust, mit so ’m Metallkopp rumzulaufen?«
Als ich anderntags beim Scrabbeln das Wort PINÖKEL an das gemeinsam verfertigte Wort KASTRATENSACKPO angelegt hatte, kriegten wir uns wieder in die Haare.
»Pinökel? Soll das ’n Aprilscherz sein?«
»Sag bloß, du kennst das Wort Pinökel nicht!«
»Nee!«
»Pinökel, das sind ... so kleine Dinger halt!«
»Was für kleine Dinger?«
»Na, so Pinökel eben! Zum Beispiel die Stifte, die man bei Knüpfli durch die Löcher steckt.«
»Wie bitte? Bei was?«
»Sag bloß, du kennst auch Knüpfli nicht!«
Er kenne weder Knüpfli noch Pinökel, sagte Michael, und er weigerte sich, das Spiel fortzusetzen. Sonst könnten wir ja auch Phantasiewörter wie GAGUGEL oder BRIBBELBAPS zusammenstoppeln. KASTRATENSACKPO sei schon jenseits genug.
Während die Bundesligaspiele liefen, unternahm Michael einen Spaziergang durch Meppen. Ohne mich.
Köln verlor zuhause 0:1 gegen Frankfurt, und Saarbrücken verlor 0:1 gegen Gladbach! Damit herrschte endlich Punktegleichstand zwischen Gladbach und Köln: Drei Spieltage vor Schluß hatten beide Mannschaften 42:20 Punkte. Allerdings hatte Köln elf Tore mehr geschossen und eins weniger reingekriegt.
Ob ich nicht doch wieder zum Training gehen sollte? So in zwei, drei Jahren könnte ich vielleicht als Deutscher Meister im Porsche durch Mönchengladbach tuckern, und ich wäre reif für mein Debüt im Trikot der Nationalelf.
Aber dafür hätte ich noch so und so oft in Umkleidekabinen voller Fußschweißgeruch herumsitzen und mich im Strafraum abrackern müssen.
In dem Stummfilm »Lichter der Großstadt« kratzte Charlie Chaplin mühsam das Geld zusammen, das eine blinde Blumenverkäuferin für eine Augenoperation brauchte. Die Blinde hielt ihn für einen Millionär, obwohl er selber nichts zu beißen hatte. Nach der Operation lachte sie zuerst noch über den abgerissenen Bettler, der sie erstaunt anschaute, aber als sie seine Hände anfaßte, erkannte sie ihren Wohltäter wieder.
Mir liefen die Tränen hinunter, und ich mußte mich am Riemen reißen, aber als ich mich umsah, stellte ich fest, daß auch Mama und Papa glänzende Augen hatten. Nur Michael tat so, als lasse ihn das alles kalt: »Wenn’s nach mir gegangen wäre, hätte da auch mal ’ne Tortenschlacht stattfinden können ...«
Am letzten Osterferientag fuhr Mama uns zum Bahnhof. Auf dem Bahnsteig schoß ich ein letztes Foto von Michael. Er stemmte beide Hände in die Parkataschen, und dann war er weg. Das Scrabble-Spiel hatte ich ihm mitgegeben, als Geschenk.
Dann machte ich mich in meinem Zimmer lang und holte die Lektüre der Zeitschriften nach, die in Michaels Anwesenheit liegengeblieben waren. In der neuen konkret zitierte der Herausgeber Hermann L. Gremliza einen Fernsehkommentator, der sich gegen die streikenden Drucker ausgesprochen hatte. »Informationsrecht bricht Streikrecht«, hatte dieser Mann gesagt, und Gremliza kommentierte den Kommentar:
Laßt uns an diese Ungleichheit mal etwas mathematische Mühe wenden: Wir kürzen, zeitgemäß, auf beiden Seiten das Recht, dann bleibt: Information bricht Streik. Sodann multiplizieren wir den Bruch mit Minus durch und, siehe, es bleiben: Maulhalten und arbeiten!
Im Stern stand eine Geschichte über eine minderjährige Prostituierte, die in Berlin am Morgen zur Schule ging und am Nachmittag auf den Kinderstrich, wo sie sich für dreißig Mark bumsen ließ.
Wer ihre Preise nicht akzeptiert, dem sagt Christiane: »Da kannste ’n Hühnchen ficken gehen.«
Unfaßbar.
Spannend bis zur letzten Sekunde war der Spielfilm »Die Spur des Falken«. Dafür war auch Mama aufgeblieben, obwohl sie stärker für Anthony Quinn und James Stewart schwärmte als für den dünnlippigen Humphrey
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