Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
der Omi, von der ich übergemangelt worden war. In Haselünne wohnte die.
Papa verlangte mir eine minuziöse Schilderung des Unfallhergangs ab, womit ich jedoch nicht dienen konnte. Ich hatte an dem Auto vorbeigewollt, und auf einmal hatte ich druntergelegen, mitsamt Fahrrad.
»Und wo ist das Fahrrad jetzt?«
»Wahrscheinlich liegt’s da noch.«
»Was hast du denn da überhaupt zu suchen gehabt? Du hattest doch Schule!«
»Ja, aber ’s war Pause ...«
Das werde noch Ärger geben mit der Versicherung, sagte Papa. »Und nun zeig mal deine Knochen vor!«
Mein linkes Knie war dunkelblau verfärbt und das rechte grün und lila.
»Das is’ ja direkt ’n Wunder, daß dabei nicht mehr passiert ist«, sagte Papa. »Aber wenn vorläufig keine bleibenden Schäden zu erkennen sind, bedeutet das noch lange nicht, daß du die Sache schon überstanden hast.«
Er fuhr mit mir zum Neuen Markt, das Fahrrad holen. Das war so verbogen, daß wir’s kaum in den Kofferraum kriegten. Von der Unfallstelle machte Papa mehrere Fotos, und dann fuhren wir noch zur Schule.
Meinen Ranzen hatte irgendwer im Sekretariat abgegeben.
Die Fahrerin rief bei uns an und behauptete, daß die alleinige Schuld an dem Unfall ja wohl eindeutig bei mir liege.
Es sei Sache der Polizei, den Unfallhergang zu klären, erwiderte Papa. »Ich werde meinen Anwalt einschalten, und ich behalte mir vor, Strafanzeige gegen Sie zu erstatten, wegen gefährlicher Körperverletzung!«
Danach vergatterte er mich zur Anfertigung einer Unfallskizze für die Familienhaftpflichtversicherung und telefonierte lange mit Onkel Rudi.
Abends rief auch Heike an: Was denn bloß los gewesen sei mit mir? »Kommst nicht wieder nach der Pause, und dein Ranzen steht da wie so’n Menetekel ...«
Himmlisch! Sie hatte sich Sorgen um mich gemacht!
»Ich frage mich ja, wieviel man als Brillenträger überhaupt sehen kann, wenn’s regnet«, sagte Papa. Der konnte an gar nichts anderes mehr denken als an den Unfall und den drohenden Papierkrieg.
Das vergrößerte Paßbild hätte ich am liebsten irgendwo in meiner Bude an die Wand gepinnt. Was natürlich nicht ging. Im Gegenteil; ich mußte ein gutes, leicht zugängliches und trotzdem bombensicheres Versteck dafür finden.
Auf dem Kleiderschrank lag eine alte Zeichenmappe, die mir geeignet erschien.
Am nächsten Morgen brachte Papa mich mit dem Auto zur Schule. Heike schoß sofort auf mich zu und wollte nochmals ganz genau erzählt bekommen, wie ich unter die Räder geraten war.
»Menschenskinder, Schlosser, ey, da kannste aber froh sein, daß sie im Ludmillenstift nicht gleich zur Autopsie geschritten sind!«
Der Leistungskurs Bio veranstaltete eine Fete am toten Arm der Hase zwischen Meppen und Bokeloh, für die gesamte Jahrgangsstufe. Nur ohne Heike, leider, weil sie mit ihren Eltern irgendwelche Verwandten besuchen fuhr.
Ich lieh mir Wiebkes Rad. Auch Ralle gab sich mal wieder die Ehre. (»Eins sag ich euch: Beim ersten Regentropfen hau ich ab!«)
Das Wetter spielte aber mit. Die Abendsonne schien, und die Bierflaschen lagerten zwecks Kühlung im brackigen Hasewasser.
Um nach der Fete nicht noch groß irgendwo hingondeln zu müssen, hatte Hermann ein Zweimannzelt aufgebaut. Er labte sich vor allem an Persiko und anderem Teufelszeug und war in Rekordgeschwindigkeit besoffen. Symptome: Lallen, Schielen, Stolpern, Stürzen und Liegenbleiben wie ein auf den Rücken gefallener Käfer, der vergeblich mit den Beinen rudert.
»Der simuliert nur«, sagte der Kleinschmidt, doch er korrigierte sich schon bald: »Der ist tatsächlich betrunken!«
Ralle, Bohnekamp und ich brauchten gut zwanzig Minuten, bis wir Hermanns Schnapsleiche ins Zelt befördert hatten.
Wie konnte man auch nur Persiko saufen? Ich blieb bei Bier und sah dem Harms, dem Albers und dem Holzmüller und drei anderen Knallchargen dabei zu, wie sie sich gegenseitig mit Uferschlamm beschmissen, und als ich genug gesehen hatte, retirierte ich in Richtung Zivilisation.
Deutschland – oder genauer gesagt: die Bundesrepublik Deutschland – hatte die Europameisterschaft gewonnen, durch zwei Tore von Horst Hrubesch.
»Du müßtest doch jetzt schreien vor Freude«, sagte Wiebke.
Der war es noch gar nicht aufgefallen, daß ich mit Fußball nichts mehr an der Backe hatte.
Ralle berichtete am Montag in der Schule, was ihm nach der Fete noch Bescheuertes passiert war: »Fällt mir da doch vor Brücke an der Ems das Portemonnaie aus meiner Hose auf die Straße, und das
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