Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
same …
Heike zupfte sich ein Tabaksfädchen von der Unterlippe, und mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können.
Beim zweiten Anlauf gingen wir ruhiger zur Sache, doch es kam wieder nichts Vernünftiges zustande.
»Irgendwie spukt mir auch immer noch Werner im Kopf rum«, sagte Heike. »Ich hab ja mit ihm Schluß gemacht, schon kurz nach Ostern, aber diese drei Jahre mit Werner, die kann ich nicht so einfach annullieren. Erst recht nicht nach dem, was er mir letzten Sonntag an den Kopf geknallt hat …«
»Wieso? Was war ’n das?«
»Naja – daß er mich immer lieben und immer auf mich warten wird, aber daß er sich auch vorstellen kann, sich umzubringen, wenn er mich mit ’nem anderen Freund sehen sollte.«
Ach du Scheiße. »Und was hast du dazu gesagt?«
»Nicht viel. Für Werner ist das schon ’n Schock gewesen, als ich vor ’nem halben Jahr die Pille abgesetzt hab, weil, ich wollte das nicht mehr, dieses dauernde Verfügbarsein, und außerdem, was in der Pille alles drin ist an Chemie, das muß ich mir als Frau nicht immer antun, find ich. Aber Werner hat das nicht verstanden, ey, der hat mir echt die Hölle heiß gemacht …«
Mit jeder neuen Mitteilung sank dieser Werner tiefer in meiner Achtung. Hatte der sie noch alle? Heike mit Selbstmord drohen? Sollte das etwa ein Liebesbeweis sein?
Heikes Eltern blieben die ganze Nacht über weg. Wir hatten viel Zeit und irgendwann auch wieder nichts mehr an, und Heike legte sich so hin, daß ich ihr bis in den siebenten Himmel kucken konnte.
»Komm doch mal dichter bei«, sagte sie.
Nichts leichter als das, hätte ich gedacht, wenn Heike ein Playmate gewesen wäre. Aber als sie vor mir lag, verließen mich die Kräfte.
Und das war nun mein erstes Mal.
Ihr mache das nichts aus, sagte sie. Wir müßten nichts überstürzen. »Und ’n sensibler Typ wie du ist mir sympathischer als ’ne alte Wildsau, die nur rammeln will und fertig.«
Da hatte ich was zum Nachdenken, als ich nachhausefuhr.
Rasenmähen war die drittblödeste Gartenarbeit, gleich nach Unkrautschöveln und Blätterharken. Wenn das mein eigener Rasen gewesen wäre, hätte ich ihn einfach seinem Schicksal überlassen und nur ab und zu den Schmetterlingen und den Hummeln zugesehen, wie sie sich im Garten amüsierten. Wozu die Mühe? Im Wald sah’s auch ohne menschliches Zutun gut aus. Und war so ’n Rasen etwa schöner als ’n Wald?
Ich mähte um die Birke rum, was schwierig war wegen der dicken Wurzeln, und auf einmal bollerte irgendwas von innen gegen das Rasenmähergehäuse: KLABONK !
Volker behauptete, daß ich absichtlich über einen Stein gefahren sei: »Du betreibst hier Sabotage, damit dich Papa für zu doof zum Rasenmähen hält und nur noch mich dazu einteilt!«
Ich hätte aber lieber noch zehn Stunden lang rasengemäht, als schuld daran zu sein, daß die Klinge hinüber war.
Mama meldete sich für eine Operation im Reinhard-Nieter-Krankenhaus in Wilhelmshaven an, für Mitte Juli, wegen einer Sache, über die sie sich nicht näher äußerte. Ich wollte auch nichts Näheres darüber wissen.
Bei einem Tagesausflug nach Hamburg, den Heikes Eltern unternahmen, durfte ich mitkommen und im Auto hinten neben Heike sitzen.
»In Hamburg machen wir dann unser eigenes Programm …«
Ich fand es sehr angenehm, daß ihre Eltern mir keine Fragen stellten. Heikes Daddy machte irgendwas mit Versicherungen, und die Mutter war Hausfrau.
Wir ließen uns am Hafen absetzen, wo Schiffe in verschiedenen Formaten ankerten, und dann wollte Heike die Reeperbahn sehen. Dort befand sich ein anrüchiges Lokal neben dem anderen. Vor manchen Eingängen standen Koberer, die uns anquatschten: Ob wir nicht mal was Besonderes erleben wollten, wir zwei Hübschen?
»Nee«, sagte Heike zu einem von denen. »Wir haben schon alles hinter uns!«
Zum Essen gingen wir in ein Fischrestaurant. Kutterscholle, das hörte sich sehr gut an, aber mit den Gräten hatten wir viel Ungemach.
Ein Fremder setzte sich auf einen freien Stuhl an unserem Tisch, bestellte sich »ein kühles Blondes« und richtete das Wort an uns: »Dürfte ich vielleicht an Ihrem Aschenbecher partizipieren?«
Ein echter Hanseat.
Wir liefen danach zu Fuß durch den Regen, und Heike erzählte mir von ihrer Beziehung zu ihrem Freund Henrik. Von ihrer Seite aus sei das ein rein platonisches Verhältnis. »Ich hab ihm klargemacht, wo für mich die Grenze liegt, und das hat er auch irgendwie akzeptiert, aber wenn er wüßte, was jetzt
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