Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
wissen, ob wir so ein Höllenspektakel veranstalten müßten? Das gehe ihr durch Mark und Pfennig.
Die Sprudelkiste, die Papa eingekauft hatte, war nachmittags schon halb alle.
Aus Rautenbergs Garten klauten wir uns Himbeeren. Da mußte man auf Maden achten.
Uwe gefiel es auf dem Mallendarer Berg besser als auf der Horchheimer Höhe, auch wenn sich da vom Hochhaus neulich einer runtergestürzt hatte. Das Hochhaus sei ganz rot gewesen von dem Blut von dem Selbstmörder, sagte Uwe. Alles mit Blut besudelt, von oben bis unten.
Auf dem Bürgersteig gegenüber lagen Backsteine, aus denen wir Türme bauten, bis der Eismann an der Ecke hielt und bimmelte. Ich suchte nach meinem restlichen Zeugnisgeld, das aber nicht reichte. Mama gab mir was dazu.
Im Wambachtal wollte ich Uwe die Quelle zeigen, aber dann stach mich eine dicke Bremse in den Arm und saugte noch weiter Blut, als ich sie schon halb totgeschlagen hatte. Eine andere stach Uwe ins Bein, und wir rannten schreiend weg, den ganzen Weg bis Vallendar, um die Bremsen abzuhängen.
Beim Saubermachen im Hobbyraum fand Mama mein Micky-Maus-Heft. Sie rief mich runter, legte mir die Hände auf die Schultern, sah mich ernst an und sagte: »Mir wäre es lieber, du würdest deine paar Kröten sparen, statt sie für solchen Schund auszugeben.«
Tarzan hatte als Dusche einen Wasserfall und konnte gut kraul-schwimmen und mit bloßer Hand Fische fangen und Krokodile abstechen, aber am besten war eindeutig Dick und Doof. Das war das Lustigste, was es jemals im Fernsehen gegeben hatte. Wie sie zusammen in einer Hose über die Straße laufen, oder wie sie jemandem Farbe über den Kopf gießen. Da erstickte man fast vor Lachen. Für Dick und Doof kam selbst Papa aus der Garage hoch, was er normalerweise nur für die Tagesschau tat.
Als Gustav uns besuchte, wollte er wissen, wie wir das Vorschlußrundenspiel Deutschland gegen Italien gefunden hätten, aber davon hatten wir nichts mitgekriegt. Gustav zog eine Schnute und sagte, ihm sei durchaus bekannt, daß der Mallendarer Berg nicht der Nabel der Welt sei, aber daß wir hier derartig hinterm Mond lebten, das sei ihm neu. Dieser Umstand würde wohl auch ausgebildeten Geographen und Astronomen Rätsel aufgeben.
Als er sich die Zähne putzen gegangen war, bezeichnete Mama Gustav als Klugscheißer, und Papa sagte, das komme eben dabei raus, wenn ein Junge von seinen Großeltern erzogen werde. Da fehle der Wind von vorne.
Nach Jever wollte Volker dieses Jahr nicht mitkommen. Ihm sei es da nicht interessant genug. Ab und zu hatte Volker sonderbare Ansichten.
Renate und ich fuhren ohne ihn im Zug mit Gustav los.
Vorher noch die Flossen vorzeigen. Mama sagte, ich hätte Grabefäuste mit Trauerrändern. Die polkte sie mir mit der Nagelscherenspitze raus. »Weiter hierher, ins Licht! Und stillhalten!«
Wer schön sein will, muß leiden. Am bösesten war Renate dran mit ihren langen Haaren, die beim Kämmen so ziepten, daß sie fast heulen mußte.
»Und daß ihr euch ja manierlich benehmt in Jever!«
Ich lief jeden Tag in den Schloßgarten und suchte nach Pfauenfedern. In den Büschen am Hang hinter den Plumpsacksteinen fand ich eine und nahebei noch eine. Wenn ich ein ganzes Pfauenrad zusammenkriegte, könnte ich Karneval als Pfau gehen.
Oma weckte Pflaumen ein und hängte im Keller Bänder mit Gemüse auf. »Updrögt Bohnen«, sagte sie dazu, und Opa eierte auf seinem Rad zum Schloß, um Besuchergruppen die holzgetäfelte Decke im Audienzsaal vorzuführen. Opa war im Heimatverein.
Opa zeigte mir auch das Schlosser-Denkmal am Schlosser-Platz. Das stand da für den in Jever geborenen Schlosser aus Renates Volksbrockhaus. Wenn ich mich anstrengte, sagte Opa, würden die Leute ja vielleicht auch mal für mich ein Schlosser-Denkmal in Jever errichten.
Am besten im Schloßgarten.
Herr Kaufhold lehnte schon ganz lange am Gartentor und schüttelte den Kopf, das konnte man vom Balkon aus sehen. Gustav und ich gingen hin.
Auf der anderen Straßenseite standen zwei Langhaarige, die den Daumen raushielten und von einem Auto mitgenommen werden wollten. »Gammler«, sagte Herr Kaufhold und schüttelte wieder den Kopf. »Im schönen Jever!«
»Aus dem schönen Jever wollen die ja gerade w-w-weg«, sagte Gustav.
Zum Geburtstag kriegte Renate eine Mundharmonika, einen Helancapullover, einen Tischpapierkorb und süße Brezeln, die Jeversche Leidenschaften hießen.
Beim Fernsehkucken strickte sie sich eine Mantilla mit Fransen. Der Löwe ist
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