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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Honecker an.
    Dessen Visage finde er unerträglich, sagte Hermann. »Pinochet, okay, der sieht schlimmer aus, aber Honecker? Und es ist doch schwachsinnig, daß die Historiker in der DDR so tun müssen, als ob der jemals irgendeinen Beitrag zur Erforschung der deutschen Geschichte erbracht hätte. Der Honecker, der hockt in seinem drögen Politbüro und hält da die Fäden zusammen …«
    Wir stromerten durch die Stadt. Den Zweitausendeinsladen an der Lister Meile hätten wir gern leergeklaut, aber dazu langte unsere Traute nicht. Und man klaute ja auch nicht bei Genossen.
    Ich traf eine telefonische Verabredung mit meiner Kusine Kirstin, der jüngsten Tochter von Onkel Rudi, und die wünschte sich als Mitbringsel Spezereien von Mövenpick.
    Hermann verweigerte sich diesem Ansinnen. »Was hast ’n du für ’ne Kusine? Spinnt die? Was stellt ’n die sich vor? Daß wir hier als Ölscheichs unterwegs sind? Mövenpick, das ist das Teuerste vom Teuersten!« Ein paar Stücke Bienenstich würden genügen.
    Damit rückten wir an und dampften rasch wieder ab. Zwischen Kirstin und den versammelten Schnepfen aus ihrem Freundeskreis einerseits und Hermann und mir andererseits hatte sich beim Kuchenverzehr nichts ergeben, worauf man hätte bauen können.
    Am Maschsee spielte jemand Simultanschach gegen mehr als ein Dutzend Gegner, und man durfte ihn herausfordern. Wir dachten uns: Wir sind zu zweit und können jeden Zug in Ruhe ausbaldowern, während dieser Großmeister noch eine Masse anderer Partien im Kopf hat. Aber schon nach sieben Zügen hatten wir einen Springer eingebüßt und nach dem dreizehnten drei Bauern, einen Turm und die Dame.
    »Der ist uns über«, sagte Hermann. »Definitiv.«
    Unser König hatte sich bereits in diesem frühen Stadium des Spiels in eine prekäre Stellung verrannt, und wir übersahen beide den entscheidenden Läuferzug, mit dem wir schachmattgesetzt wurden.
    Das Schachspielen werde er hinfort den Experten überlassen, sagte Hermann. »Ich geb’s auf! Für immer!«
    In der menschenleeren Bude brieten wir uns Schnitzel und legten eine Platte von den Doors auf:
    Come on, baby, light my fire,
    Try to set the night on fire.
    Dazu tanzten wir auch, und da schrillte die Klingel.
    Urrgh! Wenn das jetzt der Vermieter war?
    Hermann hechtete zum Plattenspieler und drehte ihm den Saft ab.
    Die Stille, die daraufhin eintrat, wurde mehrmals unterbrochen von dem Klingelschrillen und dann auch von Faustschlägen und Rufen: »Aufmachen! Ihr Saubande! Ich krieg euch dran!«
    Wir standen starr. Ich sah Hermann an, und Hermann sah mich an.
    »Aufmachen!« Und BONG und DONG und GONG .
    Aber wir machten nicht auf.
    Hermann flüsterte mir zu: »Der weiß, daß wir hier drin sind!«
    Der Mann trat noch ein paarmal gegen die Tür und stieß einige üble Kraftausdrücke aus, und dann zog er ab.
    Den größten Teil der Rückfahrt brachten wir hinten in einem VW -Bus zu, der bis Lingen fuhr.
    Am merkwürdigsten, sagte Hermann, sei ihm unser Freund Rübezahl vorgekommen, mit seiner Passion für schlechte Zeichentrickfilme und seiner Angewohnheit, Flachmänner auszuschlotzen, in einem Zug. »Und dann hat mich Professor Atomschnauze ja noch um meine Adresse gebeten, für den Fall, daß er seinen Handel mit weichen Drogen irgendwann ins Emsland verlegen werde, aber diesen Zettel hab ich nachher doch lieber verschwinden lassen …«
    Eine seltsame Wohngemeinschaft war das. Genaugenommen bestand sie aus drei zwar gastfreundlichen, aber arbeitsscheuen und kleinkriminellen Dreckflegeln.
    Von seiner Visite an Mamas Krankenlager in Wilhelmshaven kam Papa am Sonntagabend mufflig zurück und verschwand treppab im Keller.
    Hölderlin hatte seine Gedichte in eigenwilliger Rechtschreibung verfaßt.
    Noch kehrt in mich der süße Früling wieder,
    Noch altert nicht mein kindischfrölich Herz,
    Noch rinnt vom Auge mir der Thau der Liebe nieder,
    Noch lebt in mir der Hofnung Lust und Schmerz.
    Das hatte er, wie dem Buch aus dem Funkhaus zu entnehmen war, im März 1794 geschrieben, und ein Jahr später hatte er trauernd der »goldnen Tage« gedacht …
    Wenn der Sturm mit seinen Wetterwoogen
    Mir vorüber durch die Berge fuhr
    Und des Himmels Flammen mich umflogen,
    Da erschienst du, Seele der Natur!
    So wie damals, als Michael Gerlach und ich uns oben in den Birken vom Sturmwind hatten herumschaukeln lassen. Unvergeßlich. Oder wenn ich daran dachte, wie wir auf der Schlüsselblumenwiese gepicknickt hatten, Renate und Volker und ich,

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