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Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Titel: Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Zapperi
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«Wir müssen ihm aber seinen Kampf mit Mussolini zu gute halten. Seine Rede im Senat wurde nur in tendenziösem Auszug wiedergegeben.» Im Monat darauf reisten Warburg und Bing für einige Tage nach Neapel, wo sie Croce zu Hause aufsuchten. Warburg merkte im Tagebuch an, dass Croce in einem «Riesen-Palazzo» wohne (nämlich im Palazzo Filomarino aus dem 15. Jahrhundert), wo sich auch seine große Bibliothek befand. Seine beherzte Frau Adele Rossi hatte diese, wie Warburg ebenfalls vermerkt, 1926, gleich nach dem fehlgeschlagenen Attentat gegen Mussolini, vor der Zerstörungswut einer faschistischen Bande gerettet. Croce ließ Warburg auch den vollständigen Text seiner Senatsrede, in dem er die Lateranverträge kritisiert hatte, zukommen. Warburgs Kommentar: «Antwort von Duce infam. Die jungen Senatoren machten Lärm (…). Der Duce habe genau zugehört.»
    Croce hielt diese Rede am 24. Mai 1929. Er war der einzige Senator, der den Mut hatte, die Lateranverträge zu kritisieren. Er sprach sich nicht generell gegen die Aussöhnung zwischen Staat und Kirche aus, die seiner Ansicht nach sogar zu spät kam, aber er kritisierte die Vermengung der beiden verschiedenen Sphären von Politik und Gewissen sowie den nach faschistischer Auffassung «ethischen» Staat und den antiliberalen Geist des Abkommens. Er wandte sich gegen die Meinung, das Konkordat sei ein Ergebnis raffinierter diplomatischer Kunst, das nach politischen Kriterien beurteilt werden müsse gemäß dem alten Wort, dass Paris eine Messe wert sei: «Doch, neben und gegen jene Menschen, die anführen, daß Paris eine Messe wert sei, stehen jene anderen, für die das Hören oder Nichthören einer Messe unendlich wichtiger ist als Paris, weil es Sache ihres Gewissens ist. Wehe der Gesellschaft, der Geschichte, wenn Menschen, die so anders empfinden, ihr gefehlt hätten oder fehlen würden.» Croces Rede wurde vom Gelärm seiner Mitsenatoren – als «Gesindel» bezeichnete er sie später – und dem Geschrei einer Horde von Journalisten auf der Pressetribüne übertönt. Mussolini antwortete Croce mit einer wohl kalkulierten Rede voller Verachtung. Er beschuldigte Croce, sich hinter der Geschichte zu verstecken, einer von denen zu sein, die, «da sie aus verschiedenen Gründen und vielleicht auch wegen ihrer schöpferischen Impotenz nicht fähig sind, das Ereignis zu schaffen, das heißt Geschichte zu machen, bevor sie geschrieben wird, sich hinterher rächen, indem sie dieses Ereignis ohne Objektivität, manchmal sogar ohne Scham, herabsetzen».
    Nach dem kurzen Aufenthalt in Neapel kehrten Warburg und Bing Ende Mai nach Rom zurück und bestiegen im Juli hier wieder den Zug, der sie nach Hamburg zurückbringen sollte, wo sie Ende des Monats ankamen. Warburg führte danach das Tagebuch allein weiter und schrieb unter dem Datum 8. August wieder von seinen italienischen Erfahrungen mit dem Faschismus, wobei er eine wichtige Bemerkung über das Verhältnis von Hitler zu Mussolini machte. In der «Vossischen Zeitung» vom 4. August hatte er gelesen, dass Hitler seinen Genossen eine Einigungspolitik mit Italien empfahl. Warburgs Kommentar hierzu war, dass es absurd sei, gerade jetzt, da Mussolini alles daran setze, alle deutschen Spuren in Südtirol auszulöschen, an ein Übereinkommen mit ihm zu denken: «Che bestia oh è! Der Bruder Gummiknüppel wird gepriesen! Daß Mussolini das italienisch katholische Imperium anstrebt, ist diesen Idioten unbekannt. Harakikeriki! Völkische und Alldeutsche geraten sich darüber auf die Glatzen.»
    Warburg wusste vielleicht nicht, dass Hitler schon 1923 erklärt hatte, unter dem Verzicht auf Südtirol, das im Versailler Vertrag Italien zugesprochen worden war, den Anschluss Österreichs an Deutschland anzustreben. Er wollte Mussolini nicht beunruhigen, den er als seinen Mentor und sein Vorbild ansah. Interessant ist jedoch die Bezeichnung der faschistischen Herrschaft als «italo-katholisch», die zweifellos Warburgs Beobachtungen über die Lateranverträge entsprang. Am 15. August schrieb er schließlich eine Reflexion über das Rutenbündel römischen Angedenkens nieder, die fasces , die Mussolinis Partei den Namen gaben und in welchem das Beil offen auf die Gewalt verwies, auf die der Faschismus sich gründete: «Andrerseits wird durch den Faschismus das durch die Ruthen geschützte Liktoren Beil (der juristischen ethischen Funktion zuwider) zum aktiven Droh-Monstrum restituiert.» Für den Mnemosyne-Atlas hatte

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