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Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Titel: Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Zapperi
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der Papst doch selbst nach der Unterzeichnung der Verträge erklärt: «Vielleicht bedurfte es auch eines solchen Mannes, auf den die Vorsehung Uns hat treffen lassen; eines Mannes, der nicht die Vorbehalte der liberalen Schule hegte, für deren Vertreter all jene Gesetze, jene Ordnungen oder eher Unordnungen, jene Regelungen ebenso viele Fetische bedeuteten, und wie Fetische umso unantastbarer und verehrungswürdiger schienen, je häßlicher und unförmiger sie waren.» Mit dem «Mann der Vorsehung» war natürlich Mussolini gemeint, und ebenso klar ist, dass Mussolini der Kirche große Zugeständnisse machen musste, um ihre Unterstützung für seine Diktatur zu gewinnen. Dennoch holte er trotz der schmeichelhaften Erklärungen des Papstes ab und zu seinen alten Antiklerikalismus wieder hervor und feuerte bei verschiedenen Gelegenheiten in seinen Reden vollmundige, zum Teil sehr heftige Salven gegen die Kirche ab. Es ging ihm darum, das Gesicht zu wahren und sich einige Prärogativen zu sichern, besonders die Kontrolle über die Erziehung der Jugend, die faschistisch bleiben sollte. Doch trotz des strikten Verbots für die Kirche, sich in die Politik einzumischen, machte der Staat ihr weitreichende Konzessionen. Die katholische Religion erhielt den Status als Staatsreligion mit dem Ergebnis, dass der Katechismus in allen Schulen unterrichtet werden musste, und zwar von Lehrkräften, die von den Bischöfen bestimmt und vom Staat bezahlt wurden. Die von den Pfarrern vollzogene kirchliche Trauung wurde auch vom Staat anerkannt, der Pfarrer erhielt die Funktion eines Standesbeamten. Ein vom Katholizismus abgefallener oder auch nur mit kirchlichen Zensuren belegter Geistlicher verlor alle seine Bürgerrechte und wurde so zu einer Art Paria.
    Warburg war sich der großen Bedeutung der Lateranverträge bewusst, was schon daraus hervorgeht, dass er zwei aus Zeitungen ausgeschnittene Fotos von der Unterzeichnung durch Mussolini und Gasparri in seinen großen Bilderatlas Mnemosyne einfügte. Dieser Atlas blieb aufgrund von Warburgs Tod unvollendet – er starb schon am 29. Oktober 1929 –, weshalb auch seine Erläuterungen zu den Fotos fehlen. Warburg hatte das Ereignis und einige seiner direkten Auswirkungen in den Zeitungen verfolgen können. So hatte er, wie er im Tagebuch anmerkt, am 8. März in einer Zeitung das Gebet eines Militärkaplans gelesen, der den Duce als den unentbehrlichen geistigen Führer für die «Avantgardisten» und die «Balilla» bezeichnete, jener Jungen, die, nach Alter gestaffelt, zwangsweise in die paramilitärischen faschistischen Jugendorganisationen eingegliedert waren. Im gleichen Journal waren auch Gebete für den König und den Papst abgedruckt. Italien wollte sich seinem Titel als einer großen katholischen Nation und der Ehre, das Zentrum der katholischen Welt zu sein, würdig erweisen.
    Die vielen Kontakte Warburgs zu italienischen, zum Teil antifaschistischen Intellektuellen öffneten ihm allmählich die Augen für die wahre Natur des Faschismus. Die ersten Anzeichen für diese Erkenntnis finden sich in einigen lakonischen Anmerkungen im Tagebuch. Im knappen Bericht über den Besuch im Salon einer verwitweten Dame, die den Ruf hatte, dem Faschismus zugetan zu sein, heißt es: «mit in die Schmiedewerkstatt des F.», eine Anspielung auf den Beruf von Mussolinis Vater, der, wie in antifaschistischen Kreisen gerne sarkastisch hervorgehoben wurde, ein Schmied war. Bei anderer Gelegenheit notierte Warburg, gehört zu haben, der Wahlspruch des Duce sei: «Libri e moschetti» (Bücher und Gewehre), für die Beamten dagegen «Libertà e dovere» (Freiheit und Pflicht). «Großwillige Kerle Duce Mann aus dem Volke will sich selbst fühlen», kommentierte er. Ein anderes Mal war er dabei, als in einer Gesellschaft die faschistische Hymne «Giovinezza» angestimmt wurde. Sein leicht ironischer Kommentar: «bei der ‹Giovinezza› war der spontane Reflex durch Aufstehen nicht vorhanden».
    Entscheidend für eine realistischere Beurteilung des Faschismus wurde die Begegnung mit dem neapolitanischen Philosophen Benedetto Croce. Am 3. April 1929 schrieb ihm Warburg mit der Bitte, ihn in Rom treffen zu dürfen. Croce antwortete umgehend und sagte ihm, dass er in Kürze nach Rom kommen werde, um an der Eröffnung des Senats teilzunehmen, dessen Mitglied er war. Die Begegnung fand am 24. April statt, und Warburg schrieb zu Gertrud Bings nicht eben freundlichen Bemerkungen über den Philosophen:

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