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Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom

Titel: Alle Wege führen nach Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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Waisenkinder
hier —« flüsterte sie ein ums andre Mal, denn auch einer Nonne, die der Welt
Ade gesagt, fällt es schwer, soviel Glück allein zu tragen.
    Plötzlich gab sie sich einen Ruck und sagte zu
Fräulein Eva: »Schwimmen müßte man können.«
    »Dichten müßte man können«, widersprach die
Studentin.
    »Dichten? Warum?«
    »Die Dichtergabe und die freie Zeit eines
Landtagspräsidenten dazu! Dann verbräche ich eine Chronik über unsre Fahrt, die
sich neben den ernsten und grundgescheiten Rombüchern ausnähme wie der
Rosenkavalier zwischen Tristan und Isolde. Das Offizielle, Selbstverständliche
an einer solchen Pilgerfahrt dürfte nur kurz hingetupft, das Private und
Besondere, das Heitere vor allem, müßte liebevoll ausgemalt werden. Ironisch,
irenisch. Mag sein, daß mancher seine Nase darüber rümpft — für alle Christen
reicht der Wein von Kana eben nicht. Doch, wenn wir über uns selber nicht mehr
lachen können, haben dann unsre Gegner nicht allen Grund, uns zum Weinen zu bringen?«
Schwester Annaberta nickte bewundernd; ein gescheites Mädchen war die Eva
wirklich.
    Die Studentin wies zum Restaurant hinüber:
»Schauen Sie nur, was für köstliche Lebewesen in unsrer buntgemischten Pilgerschar
mitlaufen! Der Monsignore, dem noch mehr Güte aus der Seele als Schweiß von der
Stirne quillt! Schulrätin Raibeisen samt Tochter — haben die nicht das Licht
der Welt durch die Brille erblickt, wurden sie nicht mit Kniggebrei
aufgepäppelt und mit Schillers Glocke in den Schlaf geläutet? Und dann dieser
Herr Birnmoser, über den ich mich freilich recht oft ärgern muß.«
    Gottlob heulte in diesem Augenblick eine
Schiffssirene auf, sonst hätte Eva in der nächsten Beicht beim achten Gebot
allerhand bekennen müssen!
    Die zwei freien Stunden waren rasch verstrichen.
Über Castel Gandolfo und Marino kehrten die Pilger nach Rom zurück, besuchten
noch schnell das Pantheon und beschlossen den Tag mit einer Andacht in Santa
Maria Maggiore. Am kommenden Morgen sollten sie vor dem Heiligen Vater stehn!
Der Gedanke daran ließ manch nervöses Gemüt kaum schlafen, und Birnmoser mußte
einige Liter Wein spendieren, damit alle die nötige Bettschwere bekamen und
nicht mit übernächtigen Augen vor den Stellvertreter Christi traten. Bevor wir
jedoch unsre Pilger am nächsten Morgen in den Vatikan schicken — den Kaplan mit
seiner Denkschrift über die Mißstände in der Kirche, den Baron mit steifer
Bügelfalte, die Schwester mit pochendem Herzen, Sulamith aufgetakelt wie eine
Miß Universum am sechzigsten Geburtstag — wollen wir noch ein paar neugierige
Blicke in den Brief werfen, den die Schulrätin am Abend dieses schönen Tages
ihrem Gemahl Cornelius schrieb.
    »Geliebter Gatte!« perlte es aus ihrer Feder. »Das
also wären meine Grüße aus der Ewigen Stadt. Ich will nicht behaupten, daß
sowohl sie als auch die Reise meinen uneingeschränkten Beifall finden, doch
dank des Umstandes, daß ich mich eingedenk der Ratschläge Professor Wirrigs vor
Antritt der Fahrt aufs intensivste mit der Historie der Roma aeterna befaßt
habe, kann ich die bisherigen Ergebnisse als gut bis befriedigend einstufen.
Das mitfahrende Publikum entspricht mehr der Preislage als meinen Wünschen,
womit aber kein Tadel ausgesprochen, ja auch nur angedeutet sein soll. (War der
Gasmann schon da? Das Geld liegt abgezählt in der dritten Schublade links.)
Eine gewisse Isolierung muß eine Persönlichkeit unsres Standes und Ranges
natürlich auf sich nehmen. Suli entspricht in jeder Hinsicht dem, was ich von
Deiner Tochter erwartet habe. Sie hält sich brav an meiner Seite und läßt sich
von gewissen freieren Auffassungen der Méditerranée — ich wähle bewußt das
französische Wort — nicht beirren, geschweige denn beeindrucken. Heute waren
wir am Meer. Die Jugend dachte nur ans Baden, ich an Debussy. Wie geht es Dir?
Sicher wirst Du es mir danken, daß ich Dir rechtzeitig häusliche Arbeiten
beigebracht habe. So ersparen wir uns eine Zugehfrau. — Laß mich nun schließen,
liebster Gatte, mit einem Wort Goethes aus Rom: >Was aber das Größte ist,
und was ich erst hier fühle: wer sich mit Ernst umsieht und Augen hat zu sehen, muß solid werden.< Allzeit die Deine! Alwine.«

VI Vom Katzenfänger
von Trastevere oder
wie die ehrwürdige Schwester zu einem
Kinde kam
     
     
    Ach, schön war’s gewesen in der
Papstaudienz! Wie sie alle vor ihm niedergekniet waren, vor dem Heiligen Vater
der Christenheit, ehrfürchtig seinen

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