Alle Wege führen nach Rom
schlafende Welt in die Hand
ihres Schöpfers und hob segnend seine Rechte über Rom.
»Gino«, sagte Schwester Annaberta liebevoll,
beugte sich über ihn und strich ihm durch das wirre Haar, »laß es gut sein,
Gino. Wenn Gott die Bambina ruft, wollen wir sie nicht zurückhalten. Doch weißt
du denn, ob er sie ruft, ob er schon einen Platz für sie frei hat im Himmel?«
»Gott kennt die Bambina nicht, Suora«, entgegnete
Gino dumpf.
»Hast du sie etwa nicht taufen lassen? He, du! Gib
Antwort!« Gino schüttelte den Kopf. Rasch schlug der Schwester Mitleid in
heilige Entrüstung um: »Und du hättest sie sterben lassen, ohne sie vorher zu
taufen? Du hättest sie unbedenklich in die Flammen der Hölle gestürzt? Ein Kind
ist keine Katze, Gino! Ein Kind hat eine unsterbliche Seele, genauso wie du.
Merk dir das! Und nun hole mir Wasser, sauberes Wasser, los, auf!« Sie zerrte
ihn vom Eimer und stieß ihn zur Tür. »Entsetzlicher Kerl! Und halt! Vergiß
nicht, Milch zu bringen. Das ist genauso wichtig.«
»Milch? Woher soll ich Milch nehmen?« erwiderte er
trotzig.
»Ein Gauner wie du wird doch noch Milch
herschaffen können.« Sie packte ihn bei seiner Standesehre — das wirkte. Er
nahm zwei Töpfe und verschwand.
>Zustände wie im alten Rom<, dachte sich
Annaberta. >So weit kommen die Menschen, wenn sie die Hirtenbriefe übers
Familienleben schwänzen. Natürlich wird die Kleine sterben, wenn sich niemand
um sie kümmert. Und es ist wohl besser so.<
Gino kehrte mit Milch und Wasser zurück und
reichte es der Schwester. Behutsam suchte sie dem Kind die Milch einzuflößen.
Zunächst wußte es mit den weißen Tropfen nichts anzufangen und pustete sie von
den Lippen. Endlich begann es zu saugen, doch so lustlos und matt, als gäbe es
auf Erden kein verdrießlicheres Geschäft als am Leben zu bleiben.
»Und nun wird zuerst gewaschen, dann getauft.
Schmutzfinken gibt es übergenug in der heiligen Kirche«, sagte Annaberta und
warf einen tadelnden Blick auf Gino. Der widersprach nicht; teilnahmslos ließ
er die Arme nach unten baumeln und schaute nicht einmal auf, als ihm die
Schwester sein Töchterlein, von der Schmutzkruste befreit, entgegenhielt.
Blinzelnd öffnete die Bambina ihre schwarzen Augen und guckte verwundert auf den
Papa, der ihm das wohlige Rieseln des Wassers über den Scheitel und damit den
Eintritt ins Himmelreich nicht gönnen wollte. Da es galt, eine heilige Handlung
vorzunehmen, straffte die Schwester ihren zerdrückten Rock, rückte die Haube
gerade und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »So, Gino«, sagte sie, »ich
bin bereit. Wie soll das Mädchen heißen?«
»Bambina genug. Wozu noch Namen? Sie sowieso
sterben.«
>Warte, du Halunke<, dachte sich die
Schwester. >Du willst deine Tochter als namenloses Etwas im Paradies
umherirren lassen? Wenn es dort schon keinen Vater und keine Mutter hat, einen
Namen soll es haben!< Mit der hohlen Hand schöpfte sie ein wenig Wasser,
hielt es über das Köpfchen und begann: »Bambina — « und dann zögerte sie. War
es nun Müdigkeit, oder war es die Freude, ein Menschenkind zum Gotteskind zu
machen, was sie verwirrte — ihr fiel kein Name ein, außer ihrem eigenen. Und so
fuhr sie fort: »Annaberta, ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes«, und ließ das Wasser über den Scheitel rinnen.
Unsagbares Glück erfüllte sie. Wahrhaftig, Gott
hatte sie zur rechten Zeit in die Irre laufen, zur rechten Zeit mit dem
Katzenfänger Zusammenstößen lassen! Wer hätte sonst das arme Wesen getauft?
Mochte Gino mit ihr machen, was er wollte, sie hatte dem Himmel einen neuen
Bürger geschenkt.
Da unterbrach Gino ihre tröstlichen Gedanken: »Und
jetzt? Wem gehören die Bambina?«
»Dem Herrgott.«
»Nicht dem Papst?«
»Auch dem Papst; er ist sein Stellvertreter.«
»So bring die Bambina dem Papst.«
»Gino, wo denkst du hin?«
»Nun — Papst ist reich, Papst schlafen in Bett aus
purissimo Gold, Papst kann erziehen Bambina, Papst darf behalten Bambina,
schenken, verkaufen, wie Papst will.«
»Was redest du für dummes Zeug! Der Papst hat doch
keinen Platz für einen Säugling.«
»So, keinen Platz. Und wohnen in großer Palast,
und Gino muß haben Platz in seine kleine Loch. Gino nicht kann ernähren die
Bambina.«
Dem Katzenfänger schien die Absicht, das Mädchen
fortzugeben, bitterer Ernst zu sein.
»So bringe die Bambina in die Fürsorge«, schlug
Annaberta vor.
»Ich nicht gehen zur Polizei mit dieser —
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