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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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seiner Ehefrau herschlurfend, sind Elisa und Henriette gleichermaßen
     erschöpft. Du wirst Klara so vorfinden, sagt Henriette. Wenn sie es wirklich ist, die du da gefunden zu haben glaubst. Sie
     wird sabbern und Eiter in den Augenwinkeln haben. Ihre Hände werden zittern, und sie wird nicht wissen, mit wem sie es zu
     tun hat. Geh da nicht hin. Tu das dir und ihr nicht an.
    Sie ist meine Großmutter, Julis Urgroßmutter. Ich habe keinen Kampf mit ihr ausgefochten, mich hat sie nicht verletzt und
     nicht allein gelassen. Ich will nur wissen, wie sie ist und wie sie riecht. Was sie erzählt, vielleicht. Du musst das verstehen,
     Mutter. Elisa macht eine Pause. Mutter sagt sie selten, und wenn sie es sagt, fühlt sich das Wort immerganz fremd in ihrem Mund an. Sie weiß, dass Henriette es mag, wenn sie Mutter zu ihr sagt. Aber sie sagt es trotzdem selten.
    Henriette schweigt.
    Als sie ins Auto steigen, hat es wieder angefangen zu schneien. Elisa dreht die Heizung hoch und legt noch einmal Leonard
     Cohen ein. Henriette schläft nach zehn Minuten Fahrt ein. Ihr Kopf sackt nach vorn, bis das Kinn fast die Brust berührt. Der
     Halswirbel, denkt Elisa. Damit wird sie mich heute Abend quälen. Sie lächelt und denkt an frühere Zeiten, als Henriette noch
     unter unsäglichen Migräneanfällen litt. Wie sie dann auf der etwas schäbigen Couch im Wohnzimmer lag, einen Plastikeimer neben
     sich und ein Tuch über die Augen gelegt. Still sollte man sein und nicht hinhören, wenn Henriette sich über den Eimer beugte,
     um zu kotzen. Die Geräusche, die ein leerer Magen macht, der sich trotzdem erheben will. Der Schweiß auf der Stirn, das gequälte
     Lächeln, die leicht vergrößerten Pupillen. Henriette hat fast nichts ausgelassen an Symptomen, und ein Anfall dauerte meist
     mindestens zwei Tage. Jetzt bekam sie nur noch selten Migräne. Und wenn, dann schob sie es immer auf den Halswirbel. Man hatte
     ihr die Gebärmutter entfernt und damit auch die Schmerzattacken beseitigt. Toll, denkt Elisa, das sollte ich auch so machen.
     Drei kleine Löcher in den Bauch schneiden lassen, Gebärmutter raus und vielleicht nie wieder Kopfschmerzen. Scheiß auf die
     Lust, die vielleicht auch noch flöten geht.
    Nach einer Stunde wacht Henriette auf und guckt so verwirrt um sich, als hätte sie sich wieder irgendwo verlaufen.
    Wir sind gleich da, erkennst du die Landschaft schon? Elisa streckt sich nach der Decke und gähnt. Henriette ist verzückt.
     Sie erkennt nicht nur die Landschaft, sie erkenntalles. Wie bei einem Autorennen sagt sie vor jeder Kurve, mit welcher Geschwindigkeit Elisa sie nehmen soll. Sie zeigt auf
     Bäume und kleine Felshöhlen rechts und links. Waldwege sind ihr bekannt und Futterkrippen. Als sei nichts geschehen in den
     vielen vergangenen Jahren.
    Elisa fühlt sich gut dabei. Sie glaubt, Henriette zum Reden zu bringen, wenn sie erst oben an der Hütte sind, oder vorher
     schon, im Hotel. Sie will das mit Klara endlich ins Reine kriegen. Bevor die vollends den Verstand verliert.
    Das Dorf ist immer noch das Dorf. Fast unverändert, wenn man mal davon absieht, dass aus dem einstigen Konsum ein Spar geworden
     ist und aus dem einzigen Hotel ein Sport- und TouristCenter. Der protzige Name passt nicht zur schäbigen Fassade, und im Foyer
     des Hotels überkommt Elisa eine unerklärliche Sehnsucht nach früher. Die ist so stark und verbündet sich mit dem Geruch, der
     aus dem Hotelrestaurant kommt, dass Elisa fast in Panik gerät. Sie fasst Henriette am Arm und sagt, wenn es dir nicht gefällt,
     fahren wir noch woandershin. In die Kreisstadt. Dort gibt es ein paar nette kleine Hotels. Henriette schüttelt den Kopf und
     schaut verzückt auf eine Reihe verstaubter Zwiebelzöpfe, die über dem Restauranteingang hängen. Kannst du dich erinnern, sagt
     sie. Dass ich mal mit einer Freundin nach Weimar auf den Zwiebelmarkt gefahren bin und dort drei Stunden angestanden habe,
     um zwei Zwiebelzöpfe zu kaufen? Elisa verneint und atmet flach durch den Mund, um sich von der Sehnsucht zu befreien. Du hast
     sie alle von den Zöpfen geschnitten und in den Tontopf gelegt, den wir in der Küche stehen hatten. Als ich von der Versammlung
     nach Hause kam, war es passiert, und ich habe geheult wie ein Schlosshund. Kannst du dich nicht erinnern?
    In Elisas Kopf puzzelt sich ein Bild zusammen, von ihrerheulenden Mutter in der Küche und einem braunen Tontopf voller Zwiebeln. Du hast mir eine Ohrfeige verpasst. Henriette guckt
    

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