Allein in der Wildnis
Geschirr wird im Sommer in der Spüle, im Winter in einem Bottich auf dem Ofen gewaschen. Pappbecher, Pappteller, Plastikbesteck benutze ich nie, da sie weder wiederverwendbar noch ökologisch sinnvoll sind. Wäsche wasche ich in der Spüle, in Eimern oder im Waschsalon in Lake Serene. Freilich wäre die Behauptung, mein Lebensstil sei von der modernen Technik der Außenwelt unabhängig, unrealistisch. Auch ich nehme sie in vielfältiger Weise in Anspruch: Flaschengas, Konserven, Batterien und Hundefutter sind meine wichtigsten Gebrauchsgüter »von draußen«. Ohne die Welt der Technik säße ich in meiner Hütte auf verlorenem Posten. Das Land ist zu kalt, zu rauh, zu verarmt an eßbaren Wildpflanzen und — tieren. Und seitdem ich die kümmerliche Ernte aus Charlies Garten auf dem Tisch hatte, weiß ich, daß sich Gartenbau hier ebenfalls nicht lohnt. Trotzdem versuche ich, so eigenständig und so unabhängig wie möglich zu wirtschaften.
Die Hütte halte ich zum allergrößten Teil in Eigenarbeit instand. Ich repariere und streiche das Dach, mache Schreinerarbeiten, hacke Feuerholz, schließe vor dem Sommer mein Wassersystem an und entleere es vor dem Winter wieder, imprägniere Hüttenpfähle, Sonnendeck und Bootsanleger, führe einfache Reparaturen an Motorsäge, Äxten und Werkzeugen aus, fälle tote Bäume, die auf die Hütte stürzen könnten, und grabe neue Löcher für das Toilettenhäuschen.
Zwei Dingen stehe ich, bisher noch, hilflos gegenüber: dem Propangassystem und den Wasserrohren. Beim Gas kann das kleinste Leck eine Katastrophe für die Hütte bedeuten. Zur Sicherheit sind drei unabhängige Leitungen installiert, die bei Undichtigkeit oder bei Feuer draußen an den großen Gasflaschen einzeln abgestellt werden können. Eine Leitung versorgt die Küche (Beleuchtung, Kühlschrank, Herd) und das Souterrain (Heißwassergerät, Beleuchtung), eine zweite den Hauptraum der Hütte (Beleuchtung und kleiner Gasheizkörper), eine dritte die Veranda und das Gästezimmer (Beleuchtung, kleine Heizkörper). Als Reserve habe ich Petroleumlampen, Kerzen, den Kamin und ein Camp-Feuer zum Kochen. Trotzdem: Wenn etwas kaputtgeht, muß ich den Installateur holen. Eines Tages muß ich lernen, Rohrenden zu erweitern, ein T-Stück anzuschließen, einen Nippel anzubringen, Brenner von Kohleresten zu reinigen und eine neue Zweigleitung zu einem gasbetriebenen Gerät anzulegen.
Auch die Wasserversorgung ist, obwohl eigentlich sehr simpel, meine »schwache Seite«. Sie besteht im wesentlichen aus einer Motorpumpe, Plastikrohren, einem hochgelegenen Wassertank, einer Spüle und einer Badewanne. Gleichwohl habe ich es fertiggebracht, ein Rohr mit der Axt entzweizuhauen, ein Loch in den Tank zu schießen und an einem Wasserhahn die Dichtung kaputtzudröseln. Im Notfall kann ich zwar vom See eimerweise Wasser holen, das Toilettenhäuschen benutzen, im Sommer schwimmen und im Winter heiße Bäder in meinem Pferdetrog nehmen. Aber auch hier brauche ich, wenn etwas nicht funktioniert, den Installateur. Früher oder später muß ich lernen, von Bären entzweigebissene Plastikrohre zu flicken, Metallrohre zu verschrauben, einen Dichtungsring zu wechseln, verstopfte Abflüsse freizukriegen und Lecks im Tank zu verlöten.
Mein (Über)Leben als Ökoberaterin, freiberufliche Schriftstellerin und Fotografin ist sehr wechselhaft, mal brotlos, mal lukrativ, aber immer faszinierend. Für diese Art Arbeit eignet sich die Hütte ideal. Wenn ich Artikel oder Berichte schreibe, empfinde ich die Ruhe und Abgeschiedenheit meiner Klause als unabdingbare Voraussetzung für kreatives Denken und gleichbleibende Arbeitsleistung. Ich könnte nicht halb so gut funktionieren, würde ich durch Stadtlärm, durch Bürokollegen oder Nachbarn gestört. Und wenn ich einen Beraterjob habe und verreisen muß, macht mir mein Haus das Packen einfach, so daß ich recht flexibel bin. Ich schließe lediglich die Fenster, sperre die Tür ab, stelle das Gas ab, lasse das Wassersystem leerlaufen und gieße Petroleum in die Siphons. Dann kann ich ohne Sorge beliebig lange fortbleiben.
Trotz der isolierten Lage meiner Hütte in einem der wildesten Teile der Adirondacks ist es oft überraschend einfach, zu Fernreisen aufzubrechen. Einmal fuhr ich an einem klaren Sommermorgen früh um fünf mit dem Boot ab, gelangte mit dem Auto zum nächsten Flugplatz, stieg um acht ins Flugzeug, landete um neun in New York City und traf rechtzeitig zum Abendessen auf den
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