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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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Jungferninseln ein.
    Manchmal kann es aber auch so entnervend schwierig werden, daß ich mir schon überlegte, in der Stadt eine Wohnung zu mieten, nur um meine Ausrüstung leichter zur Hand zu haben. An einem Februartag bekam ich unerwartet ein Telegramm, das mir die Mitarbeit an einer ökologischen Studie in Panama anbot. Binnen zehn Tagen sollte ich dort sein. Also mußte ich spezielles Gerät bestellen, mich auf einen Monat Feldarbeit vorbereiten, packen und in Schnee und Winterstürmen alles über den See schaffen. Es bedeutete mehrere Schneemobil-Trips hin und her mit Koffern, Segeltuchsäcken und Kameras auf dem angehängten Schlitten, bedeutete weitere mühsame Eilfahrten zum Postamt. Zum Flughafen brauchte ich dreimal so lange wie sonst. Und da das Flugzeug Verspätung hatte, verpaßte ich die Anschlüsse. Mit einem Tag Verspätung kam ich in Panama an, völlig erschöpft und zudem unakklimatisiert.
    Am schwersten fällt mir, wenn ich beruflich verreisen muß, der Abschied von Pitzi. Irgendwie merkt er es immer, daß ich fort will, auch wenn ich die Koffer im Gästezimmer verstecke und nicht vor seinen Augen packe. Wie ein kleines Kind schmollt er und läuft mir nervös überallhin nach. In ein Tierheim will ich ihn nicht geben. Ich bringe ihn immer bei guten Freunden unter, die ihn verhätscheln, bis ich wiederkomme.
    Was das Überleben gegen die Elemente betrifft, mache ich mir am Black Bear Lake keine allzu großen Sorgen. Unsere Berge sind nicht gewalttätig, aber sie kennen doch gehörige Temperatur- und Wetterextreme. Angst habe ich hauptsächlich vor Stürmen, die hohe Bäume knicken; vor schweren Schneestürmen, die Dächer eindrücken können, und vor extremer Kälte, in der nicht nur die Gewässer, sondern manchmal auch Menschen zu Eis erstarren.
    Viel mehr Sorgen mache ich mir um das Wohlergehen der Maschinen und Gerätschaften, denn sie sind für mich unentbehrliche technische Überlebenshilfen. Ich möchte nicht mitten auf dem Black Bear Lake in einer stürmischen Novembernacht mit defektem Außenborder liegenbleiben, nicht auf einsamer Straße von meinem Automotor bestreikt werden. Die Maschinen müssen in technisch gutem Zustand gehalten werden, und deshalb spare ich nicht an Inspektionen und Reparaturen. Und immer führe ich Werkzeug, Scherbolzen, Zündkerzen, Öl, Reserverad, Taschenlampe und Benzinkanister mit. Beim Arbeiten mit Maschinen und Werkzeugen treffe ich, besonders wenn ich allein bin, Schutzmaßnahmen. Ich stülpe Ohrenklappen und schwere Handschuhe über, wenn ich mit der Kettensäge arbeite, und stahlarmierte Schuhe und einen Helm, wenn ich mich mit der Axt betätige.
    Trotz allem bin ich einige Male am Black Bear Lake verunglückt oder krank gewesen. Das trifft viele Einheimische, und die meisten überleben es. Meist bedeutet es eine aufregende Rettung und Evakuierung. Trotz unserer abgeschiedenen Lage funktioniert hier, glaube ich, der ärztliche Notdienst besser als in mancher Großstadt. Sobald man in den Adirondacks weiß, daß jemand Hilfe braucht, wird dessen Überleben für jedermann zu einer Sache von höchster Vordringlichkeit.
    An einem schwülen Sommersonntag, vormittags um elf, begann mir etwas übel zu werden. Nick war zum Wochenende auf Besuch gekommen, saß vorn auf der Veranda und schrieb. Ich empfand einen seltsamen Widerwillen dagegen, draußen in der Sonne zu liegen, zog mich in meine Schlafkoje zurück und las. Mittags rührte ich kaum einen Bissen an. Nick brachte mich dazu, ein paar Verdauungstabletten zu schlucken. Nach dem halb verdösten Nachmittag meldeten sich Schmerzen im Unterbauch, die gegen sechs noch schlimmer wurden. Nick meinte, wir sollten einen Arzt aufsuchen, der zufällig bei uns am See Urlaub machte. Keiner hatte an Blindarm gedacht, bis der Arzt leicht auf meine rechte Bauchseite drückte und ich einen Schmerzensschrei ausstieß.
    »Sie sollten schnellstens über den See, in ein Krankenhaus, noch vor dem Abend«, riet er.
    »Warum kann ich nicht bis morgen früh warten und mit Nick fahren, wenn er abreist?«
    »Appendizitis ist eine >Vierundzwanzig-Stunden-Krankheit<«, antwortete er. »Es kann sein, daß der Blinddarm bis Mitternacht durchbricht. Es kann aber auch sein, daß die Entzündung zurückgeht und sich bis zum Morgen legt. Sie sollten auf jeden Fall wegfahren. Es ist Ihre Entscheidung, aber denken Sie daran: Wenn es losgeht, geht es schnell. Mit einem Blinddarmdurchbruch, hundertzwanzig Kilometer vom nächsten Krankenhaus

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