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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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ausgerechnet hier wohnen und leben wollte: der Hauch der Ewigkeit, den das Leben hier durch die Natur bekommt. Sollte die Adirondack-Parkverwaltung der dafür geeignete Schutzengel sein, dann segne sie Gott.
    »Komm rein, Pitzi«, rief ich und machte die Tür auf. »Zeit zum Abendessen.«

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Überleben

    Für das Überleben als alleinstehende Frau in einer Blockhütte gelten drei Regeln. Es sind dieselben Regeln für ein erfülltes, gutes Leben, die ich schon vor Jahren als Pfadfinderin gelernt hatte. Sie lauten: Arbeit, Gesundheit und Liebe.
    Überleben in Sachen Arbeit heißt konkret: mein Heim schützen und instandhalten und mir ein berufliches Einkommen sichern. Um dies als weibliche Einzelperson zu erreichen, war eine besondere Geisteshaltung notwendig. Am Anfang mußte ich vor mir selbst den Beweis antreten, daß ich alles konnte, was ich mußte oder wollte. Das alte Klischeebild von der schwachen, unbedarften, ängstlichen Frau, die ohne männlichen Schutz und Beistand verloren wäre, hat in einem rustikalen einsiedlerischen Leben keinen Platz. Ich glaube, daß »frau« alles kann, was sie sich vornimmt, sofern sie sich das technische Rüstzeug dazu erwirbt.
    Einige der Fiktionen, die ich überwinden mußte, waren in früher Kindheit eingepflanzt und bis ins frühe Erwachsenenalter wachgehalten worden. Ich lernte indessen, daß schwere Arbeit meinen »empfindlichen inneren Organen« nicht schadete. Ich entdeckte, daß Schwielen, feste Muskeln und ein Tupfer Wagenschmiere auf der Nase mich nicht unweiblich machten. Ich merkte, daß es möglich war, schwere Lasten und sperrige Gegenstände durch einfache Anwendung von Hebelkraft, Zug und Balance zu heben und zu tragen. Ich sah, daß ich, wenn ich mich sachkundig machte oder machen ließ, fast alle Arbeiten verrichten konnte, vom Wechseln eines Autoreifens bis zum Ausfüllen von Steuererklärungen, vom Schießen mit Feuerwaffen und Tauchen mit Atemgerät bis zum Neubeziehen von Polstermöbeln. Langsam zerrann die begriffliche und faktische Zweiteilung der Geschlechter und auch die Doppelmoral, die in den USA in bezug auf Arbeit immer noch herrscht, und ich gewann Freiheit und Kompetenz.
    Von Anfang an hatte ich die Einrichtung der Hütte so simpel wie möglich gehalten, damit ich die meisten Reparaturen und Instandsetzungen selber ausführen konnte. Geschickte Elektriker, Installateure und Schreiner sind hier oben am Black Bear Lake ohnehin schwer zu kriegen und überdies bereitet es mir Spaß, autonom zu sein.
    Die Leute sind immer überrascht und manchmal schockiert, wenn ich ihnen erkläre, daß ich keinen elektrischen Strom habe. Aber ich will gar keinen Strom, auch wenn es heute möglich wäre, von einer Leitung hundertfünfzig Meter hinter meiner Hütte einen Anschluß abzuzweigen. Ich möchte nämlich nicht, daß durch den Wald eine Schneise für Masten und Drähte geschlagen werden muß, und ich möchte auch nicht, daß nach einem Sturm herabgerissene, unter Strom stehende Leitungsenden im Wald herumliegen. Außerdem habe ich keine Lust, stunden- und tagelang zu warten, bis die Servicetechniker die unterbrochene Verbindung flicken, und ich habe auch gar keine Verwendung für Strom. Alle meine Lebensannehmlichkeiten — Licht, Wärme, Kochen und Kühlen — liefert das Propangas. Ohne Strom lebe ich ökologischer und billiger.
    Wozu brauche ich einen elektrischen Haartrockner? Ich habe den Wind. Was soll ich mit einem elektrischen Küchenmesser? Ich habe eine scharfe Jägerklinge. Was soll ich mit einem Staubsauger? Ich habe Kehrichtschaufel und Besen. Was soll ich mit einer elektrischen Zahnbürste? Ich habe Zahnstocher und starke Arme und Hände. Wie soll ich mich je dazu überwinden, einen elektrischen Fingernagelpolierer oder einen Make-up-Spiegel zu gebrauchen? Von dem, was ein einziges dieser dämlichen Dinger kostet, kann eine vierköpfige Indianerfamilie in Guatemala einen Monat leben. Außerdem halten lackierte Nägel und gepuderte Wangen hier in den Nordwäldern nicht lange.
    Mein Plattenspieler, mein Radio und CB-Funkgerät sind batteriebetrieben. Die großen Zwölf-Volt-Batterien wandern alle ein, zwei Monate in mein Auto zum Aufladen. Jeden Morgen ziehe ich einen alten Wecker auf. Kaffee brühe ich mir in einer knallroten Kanne. Brot läßt sich gut auf einem Metallrahmen rösten, den man über die Flamme des Gasherdes setzt. Auf meinem Dreiflammenherd mit kleiner Backröhre kann ich fast alles zubereiten. Schmutziges

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