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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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Strafzettel. Überrascht lief ich in Sallys Küche: »Wieso in aller Welt habe ich ein Ticket? Wieso? Wieso? Ich stehe dicht am Bordstein, ausreichend weit von der Ecke weg, nicht in der Nähe eines Hydranten, blockiere niemandes Einfahrt, stehe nicht in einer gelben Zone und nicht an einer Bushaltestelle. Mensch, hier muß man auf tausend Sachen achten, verglichen mit dem Parken am Bootsanleger am Black Bear Lake!«
    Sally runzelte die Stirn und betrachtete den Strafzettel. Irgend etwas Unleserliches war daraufgekritzelt. »Ich kenne den Polizeichef von Georgetown«, erklärte sie. »Den rufe ich jetzt mal an und erkundige mich.«
    Nach längerem Gespräch stellte sich heraus, daß mein Pickup-Kombi hier als Lieferwagen betrachtet wurde, und die durften auf den Straßen von Georgetown, außer zu Lieferzwecken, nicht parken.
    Sallys blaue Augen blitzten, aber sie beherrschte sich. »Chef«, sagte sie liebenswürdig, »der fragliche Kombi gehört meinem Hausgast. Er dient ihr als Personenwagen.«
    Der Chef sagte etwas.
    »Sie wohnt in den Adirondacks, und da oben fahren alle Leute solche Pickups«, erwiderte Sally.
    Eine erneute Salve vom Chef.
    »Die Adirondacks liegen im Norden des Staates New York, an der kanadischen Grenze«, erklärte Sally betont.
    Schweigen.
    »Meine Freundin bleibt noch mehrere Tage bei uns«, fuhr Sally höflich fort. »Ich darf wohl davon ausgehen, daß wir dieses Ticket zerreißen können und daß Ihre Männer sie nicht mehr belästigen.« Sprach’s und hing auf. Ungläubig den blonden Kopf schüttelnd, sagte sie: »Er konnte es nicht fassen, daß ein Mädchen hier mit einem Pickup herumfährt.«
    »Du hättest ihm sagen sollen, daß ich darin auch kampiere und schlafe, ihn als rollende Hundehütte und Dunkelkammer benutze, und außerdem Boot und Bootsmotor, Kanu, Bauholz, Konserven, Zementblöcke, Benzin und Hundert-Pfund-Säcke Ready-Mix damit transportiere.«
    »Nichts davon«, lachte Sally. »Er hat von den Adirondacks noch nie etwas gehört. Wie sollte er da kapieren, wozu ein Pickup gut ist?«
    Nun, es kamen jedenfalls keine Strafzettel mehr.
    Autos werden in Washington, wie Sally erklärte, nach einem ganz anderen Wertesystem gekauft. Prestige, Glamour, Kompaktheit zum Parken und Komfort waren die Hauptkriterien. Im nächsten Sommer drehte sich der Spieß um, als Loren und Sally zum Urlaub zu mir an den Black Bear Lake kamen. Zweimal blieben sie mit ihrem Luxus-Mercedes liegen, weil nirgendwo Dieselöl aufzutreiben war. Ich rettete sie mit meinem Pickup und konnte ihnen meinerseits einen Dienst erweisen.
    Rund einen Monat wohnte ich schon bei Sally und Loren, als sie beschlossen, einen längeren Winterurlaub zu nehmen, eine Kombination aus Weihnachtsferien und zwei Wochen zusätzlich angehängtem Urlaub.
    »Würdest du hier wohnen bleiben und für uns das Haus hüten?« bat Sally. «Es fiele uns ein Stein vom Herzen, wenn das Haus bewohnt bliebe.«
    »Ja«, fiel Loren ein, »sonst müßte ich die ganze Bude vorn und hinten absichern, müßte Zeitschalter besorgen, die das Licht an- und ausknipsen, damit es bewohnt aussieht, und müßte der Polizei Bescheid sagen.«
    »Ganz zu schweigen davon, daß wir die Post abbestellen müßten, die Milch, die Zeitung, den Mann von der chemischen Reinigung, die Putzfrau.«
    »Aber ich wohne doch hier sowieso schon viel zu lange«, protestierte ich. »Ich bin nicht einmal dazu gekommen, mich nach einer eigenen Bleibe umzusehen.«
    »Hör mal, wir sind froh, daß wir dich bei uns haben«, sagte Loren und fuhr mir durchs Haar. »Wir sehen uns ja kaum, wo wir alle drei arbeiten und du sogar samstags und sonntags in dein Büro gehst.«
    »Na ja, der Termin für unseren Bericht rückt heran. Und wenn ich meinen Vertrag vorzeitig erfülle, kann ich um so eher in die Adirondacks zurück«, sagte ich wehmütig.
    »Eine eingefleischte Großstädterin werden wir wohl nicht aus dir machen!« sagte Sally lächelnd.
    »Nein«, erwiderte ich. »Aber ich bleibe gerne noch bei euch, wenn ihr wollt, und ich werde für euch das Haus hüten.«
    Nachdem meine Freunde abgereist waren, verbrachte ich mehr Zeit denn je im Büro. Die Wochen zogen sich hin. Ich gewöhnte mir für den Tagesablauf ein starres Schema an, das mir die besten Überlebenschancen bot. Alles ging nach Fahrplan. Washington zur Hauptverkehrszeit schien mir wie ein gigantischer, wimmelnder Karnickelstall. Um dem morgendlichen Verkehrschaos zu entgehen, nahm ich immer einen möglichst frühen Bus.

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