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Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht am Strand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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    DREI UHR, DIE TOTE STUNDE. Das
schwache Reiben groben Sands zwischen nacktem Fuß und Bodendielen. Feuchte Handtücher
über Bettpfosten und Verandageländern. Im Luftzug knallt eine Tür zu, und wie zu
erwarten schreit jemand in ihrer Nähe erschrocken auf. Ein selbst für August ungewohnter
Südwestwind bläst schwüle Luft in die zahlreichen Räume des alten Sommerhauses.
Man wünscht sich einen auf landigen Wind aus Osten, und gelegentlich erwähnt jemand
es.
    Jetzt Ostwind, das wäre ein Geschenk des Himmels.
    Die morgendliche Energie hat sich in ausgedehnten Spaziergängen und privaten
Unterrichtsstunden, in eifriger Lektüre und trägem Tennis erschöpft. Und in einem
kurzen Ausflug zu einem Autohaus in Portsmouth, um Audi Quattros zu besichtigen.
Mrs. Edwards braucht, wie man Sydney erklärt hat, im Herbst einen neuen Wagen.
    Es sind Gäste im Haus, denen man sich widmen muss. Man wünscht sie sich
mit Eigeninitiative, erfrischend wie ein Ostwind. Sydney ist nicht für sie zuständig.
Ihre Nachmittage sind frei. Ihr ganzes Leben ist, bis auf wenige Stunden überbezahlten
Privatunterrichts täglich, geradezu beunruhigend frei.
    Sydney zieht einen einteiligen schwarzen Badeanzug an, bei dem an den
Beinen der Gummi ausgeleiert ist. Sie ist neunundzwanzig und durchtrainiert. Ihr
Haar hat eine Farbe, die sich nicht leicht beschreiben lässt. Es ist nicht blond
und auch nicht braun, es hat einen Zwischenton, der im Januar fade wird und im August
zu sprühen beginnt. Sonnenhelle Lichter auf klarem Glanz.
    Sie war zweimal verheiratet: Sie ist einmal geschieden und einmal verwitwet.
Leute, die das zum ersten Mal hören, reagieren überrascht, beinahe, als wäre diese
Tatsache das Interessanteste an ihr.
    Auf der Veranda blühen sorgfältig arrangierte rote Geranien vor dem Lindgrün
des Strandgrases, dem Blau des Wassers. Nicht ganz Primärfarben, Nuancen, die es
nur in der Natur gibt.
    Messerscharfe Grashalme stechen durch die Holzlatten des Plankenwegs.
Wicken überwuchern das Dachstroh. Die dicken Köpfe unerwünschter Disteln stoßen
aus dem Sand empor. Auf der kleinen Sonnenterrasse am Ende des Plankenwegs stehen
zwei weiße Adirondack-Gartenstühle, aus denen man nur schwer wieder herauskommt,
und hinter ihnen liegt ein ausgebleichter Schirm. In einer Ecke stehen zwei rostige,
tonnenschwere Füße für den Schirm, von denen, wie Sydney vermutet, wohl keiner je
die Terrasse verlassen wird.
    Über eine Holztreppe ohne Geländer kommt man links zu einem halbmondförmigen
Strand hinunter, rechts zu einer Felsenküste. Sydney rennt durch den heißen Sand
zum Wasser. Die Brandung rollt in einer Folge langer Wellen herein, und wenn sie
die Augen schließt, kann sie die Gischt hören. Sie wappnet sich gegen die Kälte.
Für einen klaren Kopf besser als jede Elektroschockbehandlung, sagt Mr. Edwards
immer.
    Eisige Umarmung des Wassers, ein Aufschäumen weißer Blasen. Das Brennen
von Salz in den Nebenhöhlen der Nase beim Auftauchen. Sie steht auf, stolpert, steht
wieder auf und schüttelt sich wie ein Hund. Sie drückt die Hände an die Brust und
entspannt sich erst, als ihre Füße taub zu werden beginnen. Sie taucht noch einmal,
und als sie hochkommt, um Luft zu holen, dreht sie sich auf den Rücken und lässt
sich von den Wellen, die größer und stärker sind, als sie vom Ufer aus erscheinen,
emportragen, über den Kamm hinweg und wieder hinunter ins Tal. Sie ist ein Stück
schwimmendes Treibgut, ihre Wahrnehmung durch den Kälteschock hellwach.
    Sie reitet die Wellen des Ozeans ab und bekommt Sand in den Ausschnitt
ihres Badeanzugs. Als Kind hat sie, wenn sie ihren Badeanzug auszog, immer ganze
Hände voll Sand im Zwickel gefunden. Sie taucht ins Wasser ein, um die gesprenkelten
Klümpchen auf ihrem Bauch wegwaschen zu lassen, aber da sieht sie eine gute Welle
kommen. Sie richtet sich auf, dreht ihr den Rücken zu und wirft sich auf ihren Kamm.
Das ist der Trick dabei, immer den Kamm zu erwischen. Die Arme vor sich ausgestreckt,
die Augen geschlossen, schießt sie durch das Weißwasser. Mit der nackten Hüfte und
dem Oberschenkel schrammt sie über den Grund.
    Sie kriecht auf den Sand, aus dem die rücklaufende Brandung unter ihren
Beinen Mulden aushebt. Eine Welle, auf die sie nicht vorbereitet ist, trifft sie
gegen Rücken und Nacken. Sie wischt sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht, das
Wasser aus den Augen. Und sieht auf dem Strand eine Gestalt, die vorher nicht da
war. Gebräunte Brust, ein Flecken

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