Alleinerziehend mit Mann
mich mein Mann minütlich auf. Windeln wechseln, stillen, kuscheln, schaukeln – und alles noch einmal von vorne. Nichts half. Schließlich kam: »Du machst das Kind noch ganz verrückt mit deinem ständigen Aktionismus! Du bist schuld, dass er so schreit!« Damals packte ich Lukas und wanderte mit ihm ins abgelegenste Zimmer unserer Wohnung aus. Am nächsten Morgen entschuldigte sich mein Mann für diesen Satz, »die Nerven hätten blank gelegen«.
Lukas hat irgendwann den Saugreflex verloren und isst schon lange selbständig. Der Schuld-Reflex meines Mannes ist geblieben. Seine Entschuldigungen dazu haben sich hingegen auch verloren. Weil dieser Reflex so oft auftritt, vergesse ich mittlerweile die einzelnen Situationen meist sehr schnell wieder. Aber gemerkt habe ich mir drei Prachtexemplare:
Einmal habe ich wie üblich neun Semmeln für die Familie eingekauft. Weil aber weder mein Mann noch die Kinder an diesem Tag den normal großen Hunger hatten, blieben fünf Semmeln übrig. »Du musst besser einkaufen, Schatz! Was wir alles wegschmeißen! Wenn wir dann kein Geld mehr für Urlaub haben, ist das kein Wunder. Daran bist du schuld!«
Lukas hat die Hausaufgaben nicht gemacht, ich schimpfe ihn deshalb, und er setzt sich noch einmal mit den Heften hin. Mein Mann kommt früher als erwartet aus dem Büro heim und sieht unseren Sohn um sechs Uhr abends noch Hausaufgaben machen. Er gibt den Kindern ein Begrüßungsbussi und schaut mich nicht an. »Was ist denn los?«, frage ich. »Du hast überhaupt keine Struktur für die Kinder! Da komme ich ausnahmsweise mal zu früh heim, und dann sehe ich, was hier wirklich passiert! Wenn unsere Kinder später einmal lebensunfähig werden, dann weiß ich, wer daran schuld ist!«
Und gestern kam Folgendes:
»Zähne putzen!«, fordert mein Mann die Kinder auf.
Keine Reaktion. Weder eine Antwort noch eine Bewegung Richtung Bad.
»Schatz, bitte schicke die Kinder zum Zähneputzen!«, fordert mich mein Mann auf.
»Zähne putzen!«, rufe ich Lukas und Eva zu.
Keine Reaktion. Weder eine Antwort noch eine Bewegung Richtung Bad.
»Geht jetzt endlich Zähne putzen!«, wiederhole ich mit erhöhter Stimmlage.
»Und wenn nicht?«, fragt Eva plötzlich frech.
»Dann ist die Mama schuld!«, antwortet Lukas. »Hat der Papa auch schon oft gesagt.«
Kurze gespannte Stille. Was wird Alex sagen? Er grinst plötzlich.
»Genau, Lukas, merk dir das, im Zweifel ist immer die Frau schuld! So machen wir Männer uns das Leben leicht!«
Verdammt, ich hätte keinen Mann mit Humor-Reflex heiraten sollen! Das verhindert jeglichen weiblichen Reflex des Davonlaufens.
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44. Warum wir der Historie Schluckauf wünschen
M utter bleibt Mutter«, hat meine Mutter immer gesagt, »Vater bleibt Zufall.« Dabei haben meine Eltern kürzlich goldene Hochzeit gefeiert. Ihre Ehe würde ich als durchweg gelungen bezeichnen. Mein Vater war kein Nestflüchter, sondern schob den Kinderwagen mit mir darin durchs Dorf, als dieser Akt noch in der anrüchigen Nähe einer freiwilligen Kastration stand – so lautet eine gerne und oft erzählte Familiengeschichte.
Da nach der Meinung meiner Mutter Vaterschaft Zufall bleibt, riskierte sie wie viele ihrer Generation eine ganze Menge: Als bürgerliche Ehefrau hängte sie mit der ersten Schwangerschaft ihren Job endgültig an den Nagel, denn Erziehungsurlaub gab es damals noch nicht. Und selbst wenn es ihn gegeben hätte – eine anständige Familienmutter arbeitete zu jener Zeit in bürgerlichen Kreisen nicht. Das war nicht nur ein moralisches Gebot, sondern bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts galt ein Gesetz, nach dem ein Ehemann es seiner Frau schlicht verbieten konnte, arbeiten zu gehen. Absurd? Frauenfeindlich? Umgekehrt konnten auch Männer für einen One-Night-Stand bestraft werden. Bis 1969 noch galt der Paragraph 179 des Strafgesetzbuches, die »Beischlaferschleichung«. Darunter hat man sich Folgendes vorzustellen: »Wer eine Frauensperson zur Gestattung des Beischlafs dadurch verleitet, dass er eine Trauung vorspiegelt, oder einen anderen Irrtum in ihr erregt oder benutzt, in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen hielt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.«
Was für eine Zeit, in der meine Mutter die ersten Kinder bekam! Dann flogen die Männer zum Mond, und
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