Alleinerziehend mit Mann
Mann. Der starrt mich kurz an.
»Gib mal den Taschenrechner her, das kann nicht sein. Du hast dich sicher vertippt.«
»Nein, hab ich nicht. Und du kannst da jetzt nicht was reintippen. Du musst Auto fahren.«
»Gib das Ding her.«
»Du fährst Auto!«
»Gib schon her!«
»Nein!«
In diesem Augenblick winkt uns eine freundliche Polizeistreife mit Blaulicht und Kelle zur Seite. Mein Mann fährt rechts ran, streckt den Kopf aus dem Fenster und nickt der Polizistin, die uns angehalten hat, zu. Gott sei Dank hat er so gut wie nichts getrunken.
»Guten Abend. Gibt’s ein Problem?«, meint mein Mann.
»Guten Abend. Sie sind zu schnell gefahren. Ist Ihnen das klar?«
»Ich bin höchstens fünfzig gefahren.«
»Das waren fünfundsiebzig. Innerhalb einer geschlossenen Ortschaft.«
»Das kann nicht sein.«
»Macht einhundertfünfzig Euro und zwei Punkte«, sagt die Polizistin freundlich und reicht meinem Mann den Strafzettel rüber.
Ich sag’s ja: Jungs und Zahlen.
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5. Lotte geht reiten
S amstag früh. Um halb sieben höre ich das leise Tippeln von Kinderfüßen und Getuschel zwischen eindeutigen Schlafgeräuschen meines Mannes.
Die Kinder ziehen so leise wie möglich die Schlafzimmertür zu. Doch ich weiß auch ohne offene Tür, welchen Plan sie verfolgen. Lukas beherrscht nicht nur das Surfen im Internet perfekt, sondern er kennt sich auch mit Technik jeglicher Art gut aus, insbesondere der Bedienung des DVD -Rekorders. Wie alle verantwortungsvollen Haushalte haben wir die Fernsehzeit auf eine halbe Stunde täglich begrenzt, am Wochenende darf’s auch mal ein bisserl mehr sein, wir sind ja schließlich keine regelwahnsinnigen Spießer. Aber Glotze vor dem Frühstück? Jedes Mal, wenn ich nach einer harten Arbeitswoche doch noch einfach länger im Bett liegen geblieben war, fand ich die Kleinen vor dem Bildschirm.
»So geht’s nicht!«, hörte ich mich sie dann schimpfen. Doch weder Lukas noch Eva beeindruckte mein Ermahnung sonderlich – kein Wunder, mit meinem schlechten Gewissen halten sich Grundsatzreden schlecht.
Um halb sieben in der Frühe soll ich nun entscheiden, ob ich mich der wunderbar süßen Verführung, dem Schlaf, hingebe und meine Kinder vor den neuen Medien verwahrlosen lasse, oder … die Lider fallen zu, Morpheus lässt keine weiteren Überlegungen zu.
Als ich wieder auf den Wecker schaue, ist es halb zehn. Es ist verdächtig still. Ich fahre hoch. Alex liegt nicht mehr im Bett, in der ganzen Wohnung findet sich keine Familie. Ist etwas passiert? Nein! Ein Zettel liegt am Küchentisch: »Schlaf weiter, Liebling, wir sind draußen!« Huch, also ist doch etwas passiert! Seit wann geht Alex an seinem geliebten Ausschlaf-Samstagmorgen beziehungsweise seinem geliebten Ich-bleibe-bis-Mittag-im-Pyjama-Tag beziehungsweise Ich-liebe-die-Wochenendausgabe-dieser-Zeitung-Vormittag mit den Kindern raus?
Soll ich mich jetzt in die Badewanne legen oder schnell den Einkauf erledigen oder schnell den Kühlschrank putzen oder das Wohnzimmer von einem Schlachtfeld in einen begehbaren Raum zurückverwandeln? Ersteres, also die Pflege meiner selbst, war nur ein ganz kurzer ketzerischer Gedanke, schlichtweg utopisch, da ich ja schon den Luxus genossen hatte, bis halb zehn zu schlafen!
Nach Einkauf und Kühlschrankputzen klingelt das Telefon. »Wir kommen in einer Stunde … ist gerade so schön auf dem Spielplatz.«
Schön? Auf dem Spielplatz? War das mein Mann? Nein, ich finde den Großteil der Mitmütter auf dem Spielplatz auch unausstehlich, aber dass Alex den Begriff »schön« verwendet? Fragen über Fragen, während ich an diesem unerwartet familienfreien Vormittag in Windeseile die Wohnung fast auf das Ordnungsniveau eines kinderlosen Paares bringe.
»Lotte geht reiten!«, sagt mein Mann, als er schließlich mit den Kindern heimkommt. Das obligatorische Begrüßungsküsschen wird von einem ernsten Blick begleitet.
»Händewaschen!«, rufe ich den Kindern zu. »Das Essen steht schon auf dem Tisch!«
»Lotte geht reiten!«, wiederholt mein Mann betont sachlich und zieht die Augenbrauen hoch.
Überstürzende Berichte von Lukas und Eva über die neuen Rutschfertigkeiten und das Erlebnis, mit Papa zu klettern, verhindern eine weitere Kommunikation unter Erwachsenen, ehe die Kinder doch noch zum Händewaschen ins Bad verschwinden.
»Lotte ist die Tochter von den Müllers, die aus dem Hinterhaus, wir haben sie und ihren Vater auf dem Spielplatz getroffen. Lotte geht reiten!« Mein
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