Alleinerziehend mit Mann
Mann glaubt wohl, ich sei taub oder schwer von Begriff.
»Ja, ich weiß … Und ich bin bloß froh, dass Eva das noch nicht weiß, sonst möchte sie auch! Was das kostet! Und die Fahrerei!«
»Glaubst du nicht, dass wir unsere Kinder zu wenig fördern?«
»Jetzt hör mal, die gehen schwimmen und klettern, Lukas hat Flöte und Eva ihren Malkurs.«
»Frühkindliche Förderung kann nie wieder nachgeholt werden!«
Alex wirkt nachdenklich, setzt aber die fröhliche Papa-Miene wieder auf, als die Kinder am Tisch Platz nehmen. Ich hoffe, er vergisst seine pädagogische Überlegung auf dem Niveau bunter Frauenzeitschriften so schnell wie die Geburtstagsfeiertermine anderer Kinder, Lehrernamen und Kindergartenabholzeiten.
Wir verbringen einen entspannten Tag – nicht zuletzt, weil auch ich heute entspannter bin, da der ganze Haushaltskram ohne Kinder so schnell erledigt war und ich göttlich ausgeschlafen bin. Sogar auf ein Glas Wein habe ich heute Abend noch Lust, wer weiß, vielleicht daraufhin nach längerer Zeit auch mal wieder auf mehr? Kennt überhaupt ein Mann auf der Welt den Aspekt der Erotik, der selbständiger, unaufgeforderter Kinderbetreuung und Ausgeschlafensein entspringt?
»Lotte geht reiten!«, sagt mein Mann mit einem unüberhörbar vorwurfsvollen Ton, nachdem die Kinder an diesem Samstagabend schlafen und wir uns endlich mal ohne laufende Glotze auf dem Sofa aneinanderkuscheln.
»Ja, und? Was willst du mir damit sagen?« Ich nehme einen Schluck Wein und hoffe, das Irrlicht seines kurzen Einblicks in andere Haushalte möge verschwinden.
»Wenn die Müllers sich das leisten können, dann muss das doch auch für uns möglich sein!«, sagt mein Mann und nimmt einen tiefen Schluck. »
So
schlecht verdiene ich doch nun auch nicht!«
Instinktiv nimmt mein Körper Abstand zu dem – ja, ich sag es ungern – Gockel neben mir. Reitstunden als Statussymbol? Von mir aus, da Eva wie jedes Mädchen auch früher oder später auf die Idee kommen wird, auf dem Rücken eines Pferdes sitzen zu wollen. Aber jetzt werden ich und meine kostbare Zeit auch noch zum reinen Statussymbol, ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Rücksicht auf den fein ausgetüftelten Plan, mit dem ich durch den Alltag komme. Hat ein Mann auf der Welt jemals eine Ahnung, was es bedeutet, die Tochter zum Reiten zu bringen, zwischen Reitermamis zu verharren und während der Wartezeit zu rekapitulieren, was im Büro und im Haushalt liegen blieb?
Ha, nicht mit mir! Heute bin ich ausgeschlafen. Heute bin ich kämpferisch. Heute bin ich ganze die »Alte«.
»Wenn
du
sie zu den Reitstunden bringst und abholst, spricht nichts dagegen!«
Alex schaut mich an, als würde ich vom Parteitag der Liberalen in Kuba sprechen.
»Warum?«
»Weil mir das zu viel wird. Ich bring sie doch schon zu all den anderen Stunden.« Ich wundere mich darüber, wie die Wahrheit einfach so, ganz ruhig über meine Lippen kommt.
»Klar«, sagt Alex und zuckt mit den Schultern. »Mach ich schon, außer es kommt was vom Büro dazwischen.«
Er zieht mich zu sich und gibt mir einen Kuss in den Nacken.
Ich stehe auf und hole den Küchenkalender. »Trag einfach ein, wann du mit Eva reiten gehst! Aber eins geht nicht: kurzfristig wieder umplanen, wenn doch was im Büro dazwischenkommt.«
»Ach Schatz, das brauchen wir doch nicht aufzuschreiben … Wir machen es einfach wie die Müllers.«
»Und wann geht Lotte reiten?«
»Das weiß ich nicht, über den Wochentag haben wir nicht gesprochen … Kannst du noch mal nachfragen?«
»Nein, ich rufe nicht bei denen an. Ich mag sie nicht.«
»Ich mein, wenn du sie zufällig triffst.«
»Oder du?«
Der erotische Anflug ist wie weggeblasen, ich verstehe auch nicht warum.
Heute bin ich ausgeschlafen, heute schaffe ich es noch, im Bett ein paar Zeilen eines wichtigen neues Buches zu lesen, das vor fünf Jahren erschienen ist.
»Sei mir nicht böse, ich geh jetzt lieber ins Bett!«, säusle ich.
»Du kannst morgen auch ausschlafen, es ist schön, mit den Kindern unterwegs zu sein!«, erwidert mein Mann.
Am nächsten Morgen, Sonntag früh, halb sieben, steht Eva an meinem Bett, gibt mir ein Küsschen und verkündet lautstark: »Lotte geht reiten! Ich will auch reiten! Mama, aufstehen! Schlaf nicht immer so lang!«
»Papa bringt dich zum Reiten!«
»Papa?« Eva schaut mich entsetzt an. »Dann wird das nie was!«
»Komm, kuschel dich zu mir!«, fordere ich sie verschlafen auf.
Eva legt sich tatsächlich zu mir. Nach
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