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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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wenn sie könnten. Aber ist das so verwunderlich?« Er lachte kurz auf. »An Karzai glaubt in diesem Land sowieso keiner mehr. Außer den Amerikanern – und ein paar Deutschen.« Gunter räusperte sich, er bemühte sich, sachlicher zu klingen. »Aber die Bundeswehr kriminalisiert jeden Soldaten, der Kritik an ihrer Strategie in Afghanistan übt. Sie haben jedem, der in Kundus kämpft, einen Maulkorb umgehängt. Und da ich aus der Reihe getanzt bin, muss ich bestraft werden. Sie wollen allen anderen vorführen, was passiert, wenn einer den Mund aufmacht. Glaub mir, Marie, die würden mich sogar umbringen, wenn das nicht zu viel Staub aufwirbeln würde!« Er griff nach ihrer Hand. »Bitte, hilf mir, ich muss sofort raus aus diesem Land!«
    Marie stand auf. Das machte es ihr einfacher, Gunter ihre Hand zu entziehen. »Komm, wir gehen zu einem Freund von Karl! Da bist du sicher. Ich weiß nicht, ob sie mein Haus beobachten. Aber mich lassen sie in Ruhe.« Sie hätte gerne noch gesagt: Ich weiß zu viel. Aber das war ihr dann doch zu dramatisch.
    Gunter kam nur langsam hoch. Sie war kurz versucht, ihm zu helfen. Aber er schaffte es alleine. Er trottete hinter Marie her.
    Marie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Er war wirklich nur noch ein Häuflein Elend. Hatten sie das aus ihm gemacht? Oder war er selbst schuld an seinem Zustand?
    »Unter einer Bedingung«, sagte sie hart. »Ich helfe dir nur, außer Landes zu kommen, wenn du mir reinen Wein einschenkst.«
    Gunter schaute sie groß an. »Es ist alles wahr. Sie sind hinter mir her. Sie wollen mich …« Er überlegte. »Sie wollen mich … zerstören.«
    Marie schüttelte den Kopf. »Das meine ich nicht. Ich will endlich wissen, was in Kundus passiert ist.«
    Gunter kam näher, er flehte sie an: »Ich habe nicht mit den Taliban gemeinsame Sache gemacht. Ich …«
    Marie unterbrach ihn ungeduldig. »Ich will wissen, was mit Karl passiert ist.«
    Gunter schaute zu Boden. Seine Kiefer mahlten. Dann begann er zu reden. »Vor ein paar Wochen ist Karl mit seiner Truppe nachts in einen Einsatz geschickt worden. Die Amis hatten ein Taliban-Nest ausspioniert. Irgendwo am Rande von Kundus. Man hat Karls Einheit gesagt, dass sich dort nur Kämpfer versteckt halten. Es sei mit erheblicher Gegenwehr zu rechnen, hieß es.« Gunter machte eine Pause. Er trat von einem Bein auf das andere und schaute dabei aufs Meer hinaus. Es fiel ihm schwer weiterzureden. »Es war der härteste Einsatz bisher. Als er zu Ende war, stand Karl vor zehn Leichen. Acht davon waren Kinder.«
    Marie glaubte, ohnmächtig zu werden. Sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht schreien zu müssen.
    »Karl hat Kinder getötet?«
    Gunter nickte.
    Marie wollte weg. Sie wollte flüchten. Laufen. So weit sie konnte. Aber sie kam nicht vom Fleck. Sie war wie angekettet.
    »Danach hat er sich tagelang eingeschlossen«, fuhr Gunter leise fort. »Wir dachten, er bringt sich um. Aber irgendwann kam er raus. Er war völlig verändert. Er sagte … Na ja, er sagte, er wollte zu den Angehörigen der Opfer und ihnen seine Hilfe anbieten. Wir dachten alle, er spinnt. Die hätten ihn doch auf der Stelle gekillt.«
    Er ließ Marie Zeit. Doch die war stumm.
    »Das Kommando verbat ihm jede Eigeninitiative. Es durfte nicht publik werden, dass Soldaten der Bundeswehr in das Debakel mit den toten Kindern verwickelt waren.«
    »Aber hat man … Hier hat man nichts gehört.«
    »Natürlich nicht. Was glaubst du, was für Probleme das in Berlin gegeben hätte? Politische Probleme. Niemand steht noch hinter einem Einsatz, wenn durch deutsche Soldaten unschuldige Kinder sterben. Ständig ist von Aufstockungen der Truppenstärke die Rede, die im Bundestag beschlossen werden. Die Parteien, die dafür eintreten, werden von ihren Wählern bestraft, wenn herauskommt, was wirklich in Kundus los ist. Dass sie dort auf Kinder schießen.« Gunter klang jetzt fast amüsiert. »Also wurden die Toten einfach den Amerikanern in die Schuhe geschoben. Aber Karl hat das nicht mitmachen wollen. Es kam zum Krach. Sie wollten ihn mit mir nach Hause schicken. Karl weigerte sich aber abzutreten. Er drohte sogar, die Sache öffentlich zu machen. Dann ist er abgehauen … «
    »Desertiert. Zu den Taliban übergelaufen«, sagte Marie tonlos. »Er hat sich bei mir gemeldet. Karl lebt.«
    »Was? Das kann nicht sein. Er wurde getötet. Von unseren Leuten. Mit einer Rakete. Nicht weit von Kundus.«
    »In Berlin sagen sie, die Rakete sei von den Amerikanern

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