Alleinstehender Psychopath sucht Gleichgesinnte
vorhanden. Vernachlässigbar. Die Lage hat sich gegenüber dem Szenario, dem Sie beide zugestimmt haben, kaum geändert.«
»Eigentlich kann ich mich nicht erinnern, überhaupt vor die Wahl gestellt worden zu sein, wenn wir schon pingelig werden«, meldete sich Roger zu Wort.
Zornig seufzte ich. »Und was haben Sie uns sonst noch für Informationen vorenthalten? Sollte ich mir noch rasch aneignen, wie man einen Nuklearsprengkopf entschärft?«
»Sonst nichts, das versichere ich Ihnen«, beharrte Thomas.
»Und warum sollte ich das glauben?«
»Weil«, antwortete Thomas und richtete eine Pistole auf mein Gesicht, »Sie keine andere Wahl haben.«
»Ach, hören Sie auf! Was soll das?«, fragte ich. »Die ganze Zeit habe ich mich recht gut gefühlt, weil ich mein Leben aufs Spiel setze, um dem armen Kerl zu helfen, seine Frau zurückzubekommen, und jetzt zwingen Sie mich dazu. So verschafft es mir keine persönliche Befriedigung mehr. Herzlichen Dank!«
Thomas senkte die Waffe. »Tut mir leid. Ich musste mich nur vergewissern, dass Sie mich nicht im Stich lassen.«
»Hatte ich nicht vor.«
»Nun, dann stecke ich die Waffe weg.«
»Was bringt das?«, warf ich ein. »Ich weiß trotzdem, dass sie da ist und ich gezwungen werde. Man kann einem Pfadfinder keine Punkte dafür gutschreiben, dass er einer alten Dame über die Straße hilft, wenn er es unter Androhung von Waffengewalt tut.«
»Da ist keine Waffe«, erwiderte Thomas und hob die leeren Hände. »Ich werde nicht auf Sie schießen. Sie entscheiden selbst. Gehen Sie, wenn Sie wollen.«
»Halten Sie einfach die Klappe und bringen Sie uns rein!«
»Ich für meinen Teil wäre schon mit dem bloßen äußeren
Anschein
einer freien Entscheidung zufrieden«, beklagte sich Roger.
»Na schön, gehen wir.« Thomas entriegelte seine Tür und setzte dazu an, sie zu öffnen, dann schaute er ein wenig verlegen drein. »Natürlich muss ich Sie mit vorgehaltener Waffe reinbringen, um den Schein zu wahren. Tut mir leid.«
»Schon gut.«
* * *
Das Wohngebäude mochte abbruchreif sein, aber es stand eindeutig nicht leer. Obdachlose schliefen auf dem Boden, einige unter Decken, andere unter Zeitungspapier. In Kaffeekannen brannten Feuer, die etwas Licht und Wärme spendeten, von Letzterem jedoch nicht genug. Mehrere der Bewohner rollten sich herum und stöhnten, als Thomas mit der Taschenlampe durch den Raum leuchtete, der einst, als es noch Wände gegeben hatte, offenbar aus mehreren Zimmern bestanden hatte. Zwei Jugendliche, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, saßen auf der Treppe und teilten sich eine Nadel. Über den Geruch möchte ich gar nicht sprechen.
»Sollen wir die Adresse noch mal überprüfen?«, fragte Roger.
»Ruhig!«, flüsterte Thomas und stieß uns weiter. Allein im Erdgeschoss mussten sich mindestens vierzig Personen befinden, die schliefen oder beisammenkauerten. Die meisten, die wach waren, beobachten uns eingehend.
Thomas schabte mit dem Fuß über den Boden, um Glasscherben beiseite zu wischen. »Knien Sie hier nieder«, forderte er uns auf.
Wortlos taten wir, wie uns geheißen, dann warteten wir.
Ein Mann mit grauem Bart unter einer Indianerdecke rollte sich auf den Rücken und begann, im Schlaf zu schluchzen. Der Kerl neben ihm stieß ihm das Knie in die Seite, woraufhin er verstummte.
»Das Gebäude sieht aus, als könnte es jeden Moment einstürzen«, murmelte Thomas mit einem unverkennbaren Anflug von Angst in der Stimme.
Wir warteten gute zehn Minuten, ohne ein Wort zu wechseln. Meine Hände froren. Ich fragte mich, ob sich der Entführer im näheren Umfeld befand und uns beobachtete.
Beim Geräusch von Schritten schwenkte Thomas die Taschenlampe auf einen Mann in einem verdreckten, ehemals gelben Regenmantel. Er schien um die vierzig zu sein und besaß einen dichten Bart, der seit Monaten nicht mehr gestutzt worden war.
Etwa drei Meter von uns entfernt sagte er: »I-ihr seid f-für nichts G-gutes hier, o-oder?«
»Wir kümmern uns nur um unsere eigenen Angelegenheiten«, gab Thomas zurück.
»A-alles klar, i-ich m-m-merke schon, wenn i-ich nicht e-erwünscht b-b-bin.« Der Stotterer kam näher. »I-ich will euch n-n-nichts tun, i-ich hatte b-bloß gehofft, i-ihr könntet m-m-mir ein w-wenig aushelfen.«
»Tut mir leid, wir haben kein Geld«, teilte Thomas ihm mit. Der Mann setzte ein zahnlückiges Grinsen auf. »Qu-quatsch, s-sicher habt ihr w-welches. I-ich brauch n-n-nicht viel, nur ’n V-vierteldollar oder so,
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