Alleinstehender Psychopath sucht Gleichgesinnte
Abschnitt des Labyrinths neben dem unseren setzte sich in Bewegung. Mich beschlich der Eindruck, das Labyrinth könnte so aufgebaut sein wie eines dieser Puzzles, bei denen man quadratische Teile einzeln verschieben muss, bis man sie richtig zu einem Bild angeordnet hat. Wann immer ich mich an solchen Dingern versuche, endet das bei mir mit einem surrealistischen, an Picasso erinnernden Albtraum.
Obwohl dies ein guter Zeitpunkt gewesen wäre, einfach ein paar Stunden rumzustehen und zu würgen, mussten wir weiter. Roger zwängte sich durch die Klingen und fing sich einen garstigen Schnitt am Ellbogen ein, litt jedoch weit weniger als Stan. Als Charlotte das Hindernis überwand, sahen wir Daniel unseren alten Pfad entlangrennen. Da sich das Labyrinth verschoben hatte, würde er einen etwas anderen Weg zum Wasserspeier einschlagen müssen, dennoch war Stan durch die durchsichtigen Wände von seiner Position aus eindeutig zu sehen.
Wir harrten nicht lange genug aus, um zu beobachten, wie er auf Stans beerdigungsfertigen Körper reagierte, sehr wohl hingegen hörten wir seinen wutentbrannten Aufschrei. Wir entschieden uns an einer Gabelung für den mittleren Weg und liefen weiter durch das Labyrinth.
»Du bist tot, Mayhem!«, brüllte Daniel. »Tot!«
Seine Worte jagten mir einen frostigen Schauder über den Rücken, was ich in Anbetracht dessen, was ich bisher durchgemacht hatte, als sonderbar empfand. Der schlichte Umstand, dass Daniel mir mitteilte, ich stecke in einer Misere, hätte mir die Stimmung nicht so verderben sollen. Es musste an der Art gelegen haben, wie er es tat.
Nach einigen Biegungen gelangten wir zu einer schmalen Holztür. Ich hatte keine besondere Lust auf die Suche nach weiteren Schlüsseln, doch diese Tür schien kein Schloss zu besitzen. Ich öffnete sie und sah sofort, wie Hunderte Rasierklingen auf mich zurasten. Ich konnte gerade noch ausweichen, bevor das mit Rasierklingen bestückte Bügelbrett mich erfassen konnte. Ein klassischer Slapstickgag: das unerwartete Bügelbrett, das aus dem Schrank klappt und dem armen Trottel eins vor den Latz knallt. Zum Glück war es mir gelungen, mir die sonst recht komische Pointe zu ersparen, die in diesem Fall mit grauenhaften Gesichtsverstümmelungen geendet hätte.
Wir kehrten um und zogen weiter. Das Labyrinth war unbestreitbar verwirrend, aber ich glaubte felsenfest, dass wir uns zumindest stetig in dieselbe allgemeine Richtung bewegten. Na ja, jedenfalls so lange, bis wir wieder bei Stans Leiche ankamen.
Natürlich hatte Roger eine klugscheißerische Bemerkung auf Lager, doch durch seine Anspannung vermasselte er Timing und Formulierung völlig, sie ist es daher nicht wert, wiedergegeben zu werden.
»Also, was haltet ihr davon, wenn wir uns aufteilen?«, stellte ich zur Debatte. »Wenn einer von uns den Ausgang findet, kann derjenige die anderen rufen und in die richtige Richtung lenken.«
»Und so unsere Position verraten«, ergänzte Charlotte.
»Stimmt. Aber wir haben keine Ahnung, wie groß dieses Ding ist oder wohin wir sollen. Wir könnten hier tagelang umherirren.«
»Wahrscheinlich ist das gar keine schlechte Idee«, tat Roger seine Meinung kund. »Solange ich meinen zuverlässigen Fleischerhaken habe, sollte ich klarkommen.«
»Also gut«, sagte ich. »Alle suchen sich einen Pfad aus.«
Ich verspürte den innigen Drang, Roger für den Fall, dass wir uns nicht wiedersehen würden, zum Abschied zu umarmen, kämpfte jedoch dagegen an. Stattdessen schlugen wir alle einen eigenen Weg ein, ich nach rechts, Roger geradeaus und Charlotte nach links.
Mein Pfad endete sehr bald in einer Sackgasse, also schummelte ich und folgte Rogers Weg, den er gerade zurückkam.
»Ist bei dir auch eine Sackgasse?«, fragte er.
Ich nickte. Gemeinsam schlugen wir Charlottes Weg ein, der sich nach kurzer Zeit gabelte. Ich ging nach rechts, Roger nach links.
Flüchtig betrachtete ich mich in einer der Spiegelwände. Igitt. Kein rühmlicher Anblick. Sollte Helen mich je so sehen, drohte mir Zwangsenthaltsamkeit für den Rest meines Lebens.
Zwei Biegungen und einen flüchtigen Anblick Mortimers später gelangte ich zu einer Tür. Erfahrungen aus der Vergangenheit sagten mir, dass ich sie wahrscheinlich nicht öffnen wollte, andererseits konnte es sich genauso gut um den Weg nach draußen handeln. Da der Platz nicht reichte, um mich beim Öffnen neben die Tür zu stellen, begnügte ich mich damit, den Knauf vorsichtig zu drehen und sie zentimeterweise
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