Gorgon (Horror Stories 1) (German Edition)
1
Der Swop
*
Heute.
Heute war genau der richtige Tag, um ein Unternehmen zu starten, das so unvermeidlich war, wie ein rauchender Schornstein bei einem behaglichen Kaminfeuer. Nicht etwa, dass Lara Atkins als nachlässige Hausfrau zu bezeichnen gewesen wäre. Die Pflichten einer Hausfrau hatte sie von ihrer Mutter bereits von Kindesbeinen an eingeimpft bekommen, und wer oft im Hause Atkins verkehrte (am häufigsten verkehrte dort Laras Mutter), der wusste sehr bald, dass dort Ordnung und Sauberkeit nicht nur Tugenden waren.
Ordnung und Sauberkeit waren Gesetz .
Ein Gesetz, auf dessen Nichtachtung unerbittlichste Zurechtweisungen folgten, wovon Laras Mann Arnold ein Lied zu singen wusste.
Die Fenster waren stets geputzt, die Regale vom Staub des vergangenen Tages befreit, das Geschirr blitzblank gespült und die Fußböden gesaugt.
Lara Atkins war eine gute Hausfrau.
Und im Laufe der letzten Jahre waren sogar die Haare in der Suppe, die zu finden ihre Mutter sich ständig bemühte, merklich weniger geworden.
Heute war der Tag, an dem Lara mit dem Frühjahrsputz beginnen würde.
Das Haus musste dringend von den Verunreinigungen des Winters befreit werden, und dies sollte geschafft sein, bevor Arnold aus Brasilien zurückkehrte. Der stets sehr gering bemessene Zeitraum, den sie ihren Mann für sich beanspruchen konnte, durfte keinesfalls mit Fensterputzen oder Fußbodenschrubben vergeudet werden.
Oder mit Staubsaugen.
Arnold war jetzt schon seit zwei Wochen weg. Er rief zwar jeden Tag an, aber das war selbstverständlich kein Ersatz. Sie brauchte ihn in ihrer Nähe, und sie konnte sich nicht im Traum vorstellen, wie sie es ein ganzes Jahr ohne ihn aushalten sollte.
Wenn er in den Dschungel ging.
Wenn er diese Brücke baute.
Eine Brücke für Menschen, von denen neunzig Prozent noch nicht einmal ihren eigenen Namen schreiben konnten, geschweige denn den des Konstrukteurs, der ihnen dieses Wunderwerk der Zivilisation ermöglichen sollte. Es war zwar noch nicht sicher, dass er den Auftrag erhielt, aber man hatte bereits durchblicken lassen, dass er mit seinen Entwürfen sehr gute Chancen besaß.
Und wegen diesem Unsinn war er jetzt in Brasilien.
Und sie musste hier die endlosen, einsamen Stunden zählen, bis er wieder bei ihr war.
Brücken . Pah!
Natürlich hatte er ihr vorgeschlagen, ihn nach Brasilien zu begleiten, falls er den Auftrag erhielt. Mit ihm im Hotel zu wohnen. Bis vielleicht eine nette Behausung für sie beide gefunden wurde.
Und natürlich hatte sie ihm geantwortet, dass sie um nichts in der Welt ihr hübsches, gemeinsames Haus hier in dieser ebenso hübschen Wohngegend ein Jahr lang leer stehen und verdrecken lassen würde. Ein ganzes Jahr - zwölf Monate, dreihundertfünfundsechzig Tage und Gott weiß wie viele Stunden.
Und nur, um unter erbärmlichsten Umständen bei Wilden zu leben, die vielleicht nicht einmal wussten, was eine Toilettenspülung war.
Nein, nein, nein , hatte sie ihm geantwortet, nicht nach Brasilien.
Und schon gar nicht für ein ganzes Jahr.
Gut , hatte er gesagt, dann gehe ich eben allein, immerhin ist es mein Job, Brücken für Leute zu bauen, die sich nicht so ein hübsches Haus leisten können .
Und damit war ein heftiger Streit entbrannt, der bis zu dem Tag seiner Abreise nach Sao Paulo geschwelt hatte.
Keinesfalls vollständig gelöscht.
Lara wollte nun die Friedenspfeife rauchen, was sie aber nur im völligen Einklang mit ihrer Umgebung tun konnte. In einer sauberen, ordentlichen Umgebung.
Und deswegen war heute der Tag.
Die Märzsonne strahlte mit all ihrer Kraft, und in der Luft lag ein bestimmter Duft, an dem man erkennen konnte, dass der Frühling eine Fahrkarte hierher gelöst hatte. Lara hatte sich sogar bereits überlegt, ob sie ein ärmelloses Oberteil anziehen sollte, sich aber dann doch für einen leichten Baumwollpullover entschieden, den sie vor drei Tagen gekauft hatte. Sie würde ihre leichten Tops im Sommer noch oft genug tragen können, und der März stand ja erst am Anfang.
Wenn sie heute damit begann, das Haus gründlich auf den Kopf zu stellen, dann würde sie es bequem bis übermorgen schaffen, und Arnold konnte bei seiner Heimkehr in einem sauberen Haus begrüßt werden.
Und natürlich hatte sich ihre Mutter für übermorgen ebenfalls angekündigt, was aber keinesfalls bedeutete, dass sie vielleicht nicht bereits morgen erschien.
Dies war schon Grund genug, dass heute ihr Unternehmen gestartet wurde.
Lara setzte
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