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Aller Anfang ist Mord

Titel: Aller Anfang ist Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Maria Herrmann
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müssen absolviert werden, und sie wird nur diesen einen Versuch haben. Als die Lähmung zurückging, hat sie es vor ihm verborgen, aber sie wusste, sie würde mehr Kraft brauchen, deswegen hat sie geübt. Sie hat sich an dem Haltegriff über ihr hochgezogen. Am Anfang nur ein- oder zwei Züge, dann immer mehr. Er hat sich manchmal gewundert, warum sie so verschwitzt war.
    Sie hört, wie er die Haustür aufschließt. Diesmal kommt er nicht durch den Keller, das ist gut. Mit dem kräftigeren, rechten Arm drückt sie gegen den Nachtisch, bis dieser umkippt und mit lautem Krachen auf den Boden aufschlägt.
    „Mutter? Mutter ich komme!“ Er schreit von unten.
    Sie hört die Kellertür schlagen, ein Mädchen kreischt, dann dröhnen seine Schritte die Treppe zu ihr hoch. Er stürmt in das Schlafzimmer.
    „Mutter … was?“ Er sieht, dass sie sich im Bett aufgerichtet hat. „Du kannst dich bewegen … Mutter, ein Wunder.“ Er läuft zu ihrem Bett, setzt sich auf die Kante, umarmt den dünnen Körper.
    „Oh, wie wundervoll … das ist meine Liebe … Mutter, siehst du, das ist mein Liebe.“ Er weint.
    Sie weint auch. Jetzt hat sie ihren rechten Arm freibekommen, tastet zu der ledernen Tasche an seinem Gürtel. Der Verschluss geht leicht auf, das hat sie sich schwerer vorgestellt. Sie fährt an dem Metall entlang, spürt den kleinen Hebel, mit dem kleinen Finger geht es nicht, sie drückt mit dem Daumen, es klickt, jetzt kann sie die Waffe aus dem Halfter ziehen, den Arm unter seinen Bauch bringen, den Zeigefinger krümmen. Sie haben alles im Fernsehen gezeigt, den ganzen Vorgang, nur den Schuss nicht und auch nicht den Knall. Der Knall ist laut, das ist gut, die Nachbarn werden es gehört haben, sie werden die Polizei rufen. Das Mädchen wird im Keller eingesperrt sein, lebend, er hat ja keine Zeit gehabt, ihr etwas zu tun. „Bitte, Gott, vergib mir!“, sagt sie laut, seit sehr langer Zeit die ersten Worte, die sie spricht. Dann dreht sie den Lauf der Waffe in ihre Richtung und drückt ein zweites Mal ab.

Va Banque
    Jutta Maria Herrmann
     
    Raus aus dem Auto, rein in die Sparkasse ist quasi eins. Theoretisch. Tatsächlich läuft es so ab: Ich klettere steifbeinig vom Beifahrersitz, Luise stolpert über ihre eigenen Füße und krallt sich an meiner Schulter fest. Um ein Haar legen wir uns lang hin. Mit Verzögerung schieben wir uns schließlich doch noch in den Schalterraum. Luise bezieht Position an der Tür. Ich drücke dem Anzug-Jungchen mit Entenbürzel-Frisur die Knarre vor die Stirn und die Alditüte in die Hand.
    „Fünfzigtausend!“, raune ich mit tiefer Bassstimme. „Aber ein bisschen flott!“
    „Fünfzigtausend? Aber das ...“
    „Schnauze!“, falle ich ihm barsch ins Wort und presse den Pistolenlauf fester auf seine Stirn.
    Der junge Mann beginnt mit fliegenden Händen Geldbündel in die Tüte zu packen. Hin und wieder wirft er mir einen verstohlenen Blick zu. Soll er ruhig. Wir haben an alles gedacht. Was er sieht, ist ein älterer, kahlköpfiger Mann mit Schnauzer in einem Anzug, der mindestens drei Nummern zu groß ist. Luise ist ähnlich ausstaffiert. Nur dass auf ihrem ergrauten Schopf das Toupet ihres verstorbenen Mannes thront, und der Anzug so straff sitzt, dass sie herauszuplatzen droht.
    Hinter meinem Rücken ertönt Musik. Ein Handy? Die Erkennungsmelodie von Bonanza! Das ist das Handy von...
    „Luise Winkler!“, flötet selbige laut und vernehmlich. Vermutlich hat sich ihr bisschen Hirn vor lauter Aufregung in Wohlgefallen aufgelöst. Bevor sich auf dem Gesicht des Jüngelchens ein Grinsen breit machen kann, schnappe ich mir die Alditüte, packe Luise am Arm und zerre sie zur Tür hinaus.
    „Aua!“, kreischt sie in den höchsten Tönen. „Was fällt dir ein? Du tust mir weh!“
    „Ich tue dir gleich noch viel weher, wenn du nicht endlich deine gottverdammte Schnauze hältst. Los rein ins Auto mit dir!“
    Ich schiebe Luise auf den Rücksitz und werfe mich ohne Rücksicht auf meine schmerzende Hüfte neben Margot auf den Beifahrersitz.
    „Nichts wie weg hier!“ Meine Stimme ist kurz vorm Überschnappen. „Los, mach schon! Gib Gas!“
    Margot zittert vor Aufregung. Natürlich würgt sie den Motor ab. Ich schließe die Augen, zähle stumm bis drei. Margot ist äußerst zart besaitet. Bei jeder noch so leisen Andeutung von Kritik blockt sie. Dann geht gar nichts mehr. Und das können wir jetzt weiß Gott nicht gebrauchen. Sie ist die Einzige von uns mit Führerschein. Zum Glück

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