Aller Anfang ist Mord
klappt Versuch Nummer zwei auf Anhieb. Wir fahren am Ortsausgangsschild – Ziegenhals, wer hat sich den Namen bloß ausgedacht? – vorbei auf die Landstraße. Margot gibt vorsichtig Gas. Gemächlich zockeln wir durch die Landschaft. Als hätten wir alle Zeit der Welt.
„Margot, ich bitte dich! Jetzt gib schon Gas“, dränge ich. „Du bist 70, das heißt nicht zwangsläufig, dass du nicht schneller als 70 fahren darfst.“
„Meine liebe Helene, ich bin in meinem ganzen Leben noch nie schneller als 70 gefahren. Das werde ich auch dir zuliebe nicht ändern“, antwortet Margot in einem hoheitsvollen Ton, der keine Widerrede duldet.
*
Lothar Kasupke drischt mit der Faust auf den Zigarettenautomaten ein. Klirrend fällt die Euromünze in den Ausgabeschacht. Er fischt sie heraus, steckt sie ein drittes Mal oben in den Schlitz und zerrt an der Marlboro-Schublade. Endlich gibt sie nach.
„Na, also. Geht doch!“ Er reißt das Zellophan herunter, fingert sich eine Zigarette heraus und steckt sie zwischen seine dicken Lippen. Im Gehen tastet er seine Hosentaschen nach dem Feuerzeug ab. Auf der anderen Straßenseite hält ein Mercedes Marke Uralt im Parkverbot. Kasupke zündet die Zigarette an und beobachtet, wie zwei Anzugtypen umständlich aus dem Wagen klettern und in die Sparkasse stolpern. Was hält der Typ mit Glatze denn da in der Hand? Eine Knarre?
„Nachtigall, ick hör dir trapsen“, murmelt Kasupke und duckt sich in einen Hauseingang. Da sitzt noch jemand im Auto. Eine Frau mit Brille und Kopftuch, kann kaum übers Lenkrad gucken. So ganz taufrisch scheint die Alte nicht mehr zu sein. Kasupke behält den Eingang der Sparkasse genau im Auge. Keine drei Minuten dauert es, da sieht er die zwei Gestalten wieder aus der Bank heraus und in den Mercedes hinein stolpern. Kasupke überlegt nicht lange. Er wirft die Kippe weg, sprintet zu seinem GTI, wendet mit quietschenden Reifen und folgt dem Mercedes in sicherer Entfernung.
Lothar Kasupke versäumt es, in den Rückspiegel zu sehen, und so entgeht ihm, dass der Bankangestellte im aufgewirbelten Staub auf der Straße steht und die Nummer von Kasupkes tiefer gelegtem GTI auf einem Zettel notiert.
*
Von Luise hinten kommt kein Mucks. Ich kurbele das Fenster herunter und reiße mir mit einem Ruck den aufgeklebten Schnurrbart von der Oberlippe. Weg damit!
„Helene, stimmt etwas nicht?“ Margot hält das Lenkrad mit beiden Händen fest umklammert und den Blick starr auf die Fahrbahn gerichtet. „Ihr seid so still.“
„Frag Luise!“ Meine Stimme ist rau vor Zorn. Seit Monaten planen wir diesen Coup. Jedes Detail, jede Eventualität, jede Abweichung haben wir haarklein besprochen. Und dann passiert so etwas Dämliches! Ich drehe mich zu Luise um. Sie senkt die Augen und befingert nervös das Toupet in ihrem Schoß. Ihre dünnen, grauen Haare kleben von einem Stirnband gehalten am Kopf. Über der Oberlippe hängt schief der falsche Schnurrbart.
„Glückwunsch“, brumme ich. „Das war eine grandiose Nummer.“
„Es war ein Reflex, Helene. Ich habe gar nicht nachgedacht“, flüstert Luise mit Tränen in der Stimme.
„Das tust du nie! Dir ist doch klar, dass du uns in die Scheiße geritten hast?“
„Helene, ich bitte dich! Du musst nicht gleich ordinär werden.“ Margot wirft mir von der Seite einen strafenden Blick zu und gerät prompt von der Fahrbahn ab.
„Pass auf, wo du hinfährst!“, blaffe ich sie an.
Ich lasse mich in den Sitz zurücksinken und verschränke die Arme. Mit einem Mal fühle ich mich wie zerschlagen. Jeder einzelne Knochen im Leib tut mir weh.
„Sagt mir jetzt vielleicht mal jemand, was in der Bank passiert ist?“
Ich hülle mich in Schweigen.
Luise flüstert: „Mir ist da ein kleiner Fauxpas passiert.“
Fauxpas! Klingt fast niedlich, wie sie das so sagt.
„Mein Handy hat plötzlich geklingelt, und ich bin ran.“
„Das ist nicht wahr?“
„Leider doch!“
„Du hast dich gemeldet?“
„Ja!“
„Mit Vor- und Zunamen?“
„Mit Vor- und Zunamen!“
„Und wer war dran?“
„Verwählt.“
Margot neben mir fängt an zu kichern. Ich traue meinen Ohren nicht. „Luise, das sieht dir ähnlich. Du bist so ein Schaf.“
„Schön, dass du das so gelassen nimmst, Margot“, sage ich mit schneidender Stimme.
„Warum machen wir nicht einfach weiter wie geplant?“, fragt Luise vorsichtig.
„Wenn der Bankangestellte deinen Namen mitbekommen hat – und jede Wette, das hat er – dann weiß auch die
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