Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
Vom Netzwerk:
durch die Bäume.
     
    «Wo gehen wir hin?», fragt Nelson zum wiederholten Mal.
    «Ich weiß es nicht», antwortet Cathbad erneut. Er summt leise vor sich hin. Alles bleibt gleich: der Himmel, das Meer, der Strand. Ist das ein Traum?, fragt sich Nelson. Aber er spürt doch die Kiesel unter den Füßen, er riecht das Meer, sogar den leichten Kräuterduft, den Cathbad verströmt.
    «Der Flow», sagt Cathbad jetzt, «du musst dich ganz dem Flow anvertrauen.»
    Doch Nelson kann sich nichts anvertrauen, was er nicht mal sehen kann. Er stapft weiter den Strand entlang, auf der Suche nach einem Ausweg.
     
    Bob umrundet das Feuer und reckt hin und wieder seinen Stab gen Himmel. Was macht er da? Verwünscht er Cathbad? Zeigt er mit dem Knochen auf ihn? Oder versucht er, ihn zu retten? Und Nelson? Will auch Bob in die Traumzeit eintreten? Wird er mit Cathbad um Nelsons leblose Hülle kämpfen? Ruth weiß, dass das alles Unsinn ist, doch hier, im Dunkeln, während der Wind um das Haus tobt, kommt es ihr gar nicht mehr so unsinnig vor.
    Jetzt bleibt Bob stehen und blickt zum Haus hinauf. Ruth weiß nicht, wie gut sie am Fenster des dunklen Zimmers zu sehen ist. Sie weicht zurück bis zur Wand. Bob hat seine Wanderung wieder aufgenommen, tritt einmal in den Feuerschein hinein, einmal aus ihm heraus. Dann bleibt er plötzlich stehen und mustert etwas am Boden. Was mag das sein? Ruth drückt das Gesicht wieder an die Scheibe. O Gott, es ist Flint. Der rotgetigerte Kater ist von irgendwoher aufgetaucht und streicht Bob jetzt um die Beine. Weg von ihm, Flint! Sie schickt ein Stoßgebet zu Mutter Juliana und ihrer Katze. Bitte, beschütze Flint. Lass nicht zu, dass Bob ihn in eine seiner unheimlichen Traumzeit-Kreaturen verwandelt.
    Cathbad regt sich im Schlaf. Das ist alles nur deine Schuld, würde Ruth ihn am liebsten anschreien. Ich sollte jetzt friedlich schlafen, mit meinem Kind im Bettchen neben mir und meinem Kater am Fußende. Stattdessen ist sie in eine grausige Traumwelt geraten, in der Schlangen und heilige Tiere durch die Dunkelheit schleichen und zwei ihrer besten Freunde zwischen Leben und Tod schweben. Sie geht den Gang entlang, um nach Kate zu sehen. Da hört sie ein Geräusch von unten. Was war das? Ist Bob eingebrochen? Hat Cathbad die Gartentür überhaupt abgeschlossen? Ruth steht wie erstarrt, fest entschlossen, ihr Kind mit ihrem Leben zu verteidigen. Cathbad muss selbst sehen, wo er bleibt. Dann trappeln Katzenpfoten die Treppe hinauf, und ein vorwurfsvolles Maunzen schallt ihr entgegen. Gott sei Dank. Es ist nur Flint, der durch die Katzenklappe hereingekommen ist. Ruth nimmt ihren Kater auf den Arm und drückt ihn fest an sich.
     
    Die Lichter werden immer heller. Judy sieht die Mauern um die Stallungen und das Haus, das sich in der Ferne aus dem Dunkel erhebt. Gott sei Dank. Sie haben es geschafft. Ihr Knöchel schmerzt, sie ist patschnass und hat das Gefühl, ihr Herz müsste jeden Augenblick zerspringen, doch zugleich fühlt sie sich auch seltsam euphorisch. Sie haben es durch den dunklen Wald geschafft, und dort, wenige Meter vor ihnen, ist Zuflucht, ein Telefon, Verstärkung. Der Wind tost immer noch, doch es hat aufgehört zu regnen. Gerade will sie sich zu Clough umdrehen und ihn beglückwünschen, ihm danken, als das denkbar furchterregendste Geräusch die Nacht zerreißt. Eine Art langgezogenes Jammern, guttural und schmerzerfüllt. Wie erstarrt bleibt Judy stehen. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, jemals noch mehr Angst haben zu können, doch jetzt ist ihr, als stünden ihr sämtliche Haare zu Berge.
    «Was um Himmels willen war das?», flüstert sie.
    «Hört sich an wie ein Esel», sagt Clough munter.
    «Ein Esel?»
    «Ja, ein wiehernder Esel. Komm. Wir müssen weiter.»
    Was hat denn ein Esel in einem Rennstall zu suchen?, überlegt Judy, während sie sich beeilt, Clough hinterherzukommen. Sie wird ihn ganz sicher nicht noch einmal aus den Augen verlieren. Jetzt sind sie an der Mauer vor den Stallungen, sie sieht den Uhrenturm und die Führanlage im Mondschein aufragen. Das Licht kommt aus dem Häuschen gleich neben dem Haupttor.
    «Das ist Carolines Haus», keucht Judy.
    «Sie ist mit Trace befreundet», ruft Clough. «Sie wird uns helfen.»
    Judy ist nach wie vor nicht allzu gut auf Caroline zu sprechen, doch inzwischen ist sie bereit, jedem zu vertrauen, der sie nicht mit einer Pistole bedroht. Sie denkt an ein warmes Haus, an Licht, ein Telefon. Und setzt sich in Bewegung.
    Kaum

Weitere Kostenlose Bücher