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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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mit Pferden umgehen konnte, schien ihr genau dieses Gesamtpaket zu bieten.
    Und jetzt, nachdem er ein Leben lang immer ganz und gar der Norm entsprach, hat Dan sie schließlich doch noch überrascht. Er ist einfach so gestorben und hat sie mit drei erwachsenen Kindern, einem Haus, das innenarchitektonisch absolut nichts mehr zu wünschen übrig lässt, und einem Rennstall voller Pferde zurückgelassen. Romilly war immer überzeugt, dass Dan ewig leben würde. Trotz seiner Diabetes-Erkrankung wirkte er unverwüstlich, Teil einer ewig gleichen Landschaft. Was auch kommen mochte, Dan würde immer da sein, um fünf Uhr früh mit den Pferden aufstehen und abends um zehn schlafen gehen. Romilly verspürt irrationalen Zorn darüber, dass er sie so im Stich gelassen hat. Sie hat ihn gebraucht; sie brauchte ihn dort im Hintergrund, seine beruhigende Anwesenheit, wenn sie von ihren immer häufigeren Abenteuern zurückkehrte. Romilly interessiert sich inzwischen immer weniger für die täglichen Anforderungen der Pferdehaltung, dafür umso mehr für das Wohl der Tiere auf einer abstrakten Ebene. Als die Kinder klein waren, geriet ihr Aktivismus in den Hintergrund, doch in den letzten Jahren engagiert sie sich wieder sehr. Ob die Polizei wohl von ihrer kriminellen Vergangenheit erfahren wird? Ob sie der Gruppe auf die Spur kommt? Romilly lächelt, mit dem Ergebnis, dass der Bestatter entsetzt dreinschaut und Tamsin sich zu ihr herüberbeugt und besorgt fragt, ob alles in Ordnung sei. «Alles bestens», sagt sie. Sie kann Fürsorglichkeit nicht ausstehen. Zumindest nicht, wenn sie von Menschen kommt.
    «Ich glaube, Dad hätte eine Opernarie gefallen», sagt Tamsin jetzt. «Etwas Geschmackvolles.»
    Geschmackvoll – das ist Tamsins Lebensmotto. Ihr Haus in London ist ein Schrein des unaufdringlichen guten Geschmacks, sie trägt Designermode mit wohlgesetzten, kleinen Stilbrüchen, und selbst ihr Hund, ein schokoladenbrauner Labrador, passt ins Farbkonzept. Gegen all das hat Romilly nichts einzuwenden (vor allem nicht gegen den Labrador), aber sie würde sich doch wünschen, dass das Geschmackvolle nicht auch Tamsins Gefühlsleben so sehr beherrschte. Es ist Jahre her, seit Romilly ihre ältere Tochter zuletzt lachen gehört oder weinen gesehen hat. Auch Tamsins Kinder sind bemerkenswert frei von jeder emotionalen Regung. Romilly würde ihre einzigen Enkel gern richtig lieben können, doch Emily und Laurence sind farblose kleine Geschöpfe, die nie ihre Hausaufgaben vergessen und brav Geige üben. In ihrem Alter hat Romilly auf dem Schulhof großangelegte Igel-Rettungsaktionen organisiert. Aber wahrscheinlich gibt es einfach keine Igel in Notting Hill. Die sind nicht geschmackvoll genug.
    Romilly bestätigt, dass Dan gern Opern gehört hat, und sie wählen für die Einäscherung die Arie
E lucevan le stelle
aus
Tosca
. Und bei der Trauerfeier wird sich der Organist tapfer durch
Schafe können sicher weiden
quälen.
    «Wann wissen wir denn, ob die Polizei eine Autopsie durchführen will?», fragt Tamsin, nachdem sich der Bestatter übertrieben höflich verabschiedet hat.
    «Ich weiß es nicht», sagt Romilly. «Detective Inspector Nelson war heute Morgen hier, aber das Krankenhaus findet an Dans Tod offenbar nichts verdächtig. Herzinfarkt, heißt es. Sie haben eine vorläufige Sterbeurkunde ausgestellt.»
    «Ja, ich weiß.» Tamsin war bereits im Krankenhaus. Das Angebot, ihren toten Vater noch einmal zu sehen, hat sie abgelehnt («Ich möchte ihn lieber lebendig in Erinnerung behalten»), während Caroline ihm einen tränenreichen Besuch abgestattet hat. Jetzt will sie auch seine Beisetzung so schnell wie möglich abgewickelt sehen – ganz geschmackvoll, versteht sich.
    «Ziemlich dreist von diesem Polizisten, einfach hier vorbeizukommen», sagt sie. «Kann man sich da beschweren?»
    «Lieber Himmel, Tammy, er macht doch nur seine Arbeit.»
    «Und da war auch noch so eine Polizistin bei Caroline, die sich die Überwachungsbänder angeschaut hat. Ich hätte die ja gar nicht erst hereingelassen, aber Caro macht ihr sogar noch einen Kaffee. Das ist mal wieder typisch.»
    «Caro ist zutiefst erschüttert», sagt Romilly nachsichtig.
    «Nicht so erschüttert, dass sie morgen nicht zu dieser bescheuerten Aborigine-Tagung gehen würde.» Tamsin zupft ihren tadellosen schwarzen Minirock zurecht. «Ich habe ihr gesagt, dass ich das respektlos finde.»
    «Ach ja?», sagt Romilly. «Ich finde eher, es ist eine nette Abwechslung für

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