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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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pünktlich um acht bei Sandra zu sein. Nachdem sie Flint gefüttert, sich zweimal umgezogen, Kate mit einer gut gefüllten Windeltasche und Kleidung zum Wechseln im Auto verstaut hatte und noch einmal zurückging, weil sie überzeugt war, das Gas angelassen zu haben, war es bereits Viertel nach. Eine hastige Übergabe bei Sandra später war sie dann endlich unterwegs nach Great Yarmouth. Nachdem sie noch hinter zwei Reisebussen hergezockelt ist (wer in aller Welt reist denn im November nach Norfolk?), hat sie es schließlich geschafft, um halb zehn im Quäkerhaus zu sein. Hoffentlich haben die Vorträge noch nicht angefangen.
    Doch als sie den Raum betritt, der einem Schild zufolge «Snacks» verheißt, stellt sie fest, dass sie ihre Kollegen überschätzt hat. Die versammelten Archäologen tun sich auch um halb zehn noch an Kaffee und süßen Teilchen gütlich. Nach endlosem, quälendem Hin-und-her-Überlegen, was sie anziehen soll, hat Ruth sich schließlich für einen schwarzen Hosenanzug entschieden, in dem sie professionell (und ein klein wenig schlanker) wirkt. Hier ist sie praktisch als Einzige nicht in Jeans. Außerdem sieht man gefärbte Haare in rauen Mengen: lila, rot, rosa, sogar ein kunterbunter Irokese ist dabei. Fast alle haben Tattoos und diverse Piercings. Und irgendwer hat auch seinen Hund dabei.
    Ebendieser Hund führt Ruth aber letztlich zu dem Schluss, dass es richtig war zu kommen. Während sie noch unschlüssig in der Tür steht, rennt das Tier auf sie zu und springt an ihr hoch, um ihr die Nase zu lecken. Ruth fühlt sich überrumpelt. Sie mag grundsätzlich alle Tiere, trotzdem sind ihr Katzen aber lieber, und dieser Hund hier ist ganz besonders groß und struppig. Warum freut er sich bloß so, sie zu sehen?
    «Klaudia!», ruft eine belustigte, vertraute Stimme. «Hierher!»
    «Hallo, Max», sagt Ruth.
    Max hat sich in den vergangenen achtzehn Monaten kaum verändert. Er sieht allenfalls etwas erholter aus, als sie ihn in Erinnerung hat, und weniger gequält. Sein Gesicht ist sonnengebräunt, was sein Haar noch grauer und seine Augen noch blauer macht. Er lächelt, ein breites Lächeln, wie sie es noch nie an ihm gesehen hat – doch bei ihrer letzten Begegnung gab es alles in allem auch wenig Anlass zum Lächeln.
    «Ruth. Wie schön! Cathbad hatte schon gesagt, dass du vielleicht kommst.»
    Das Druideninformationssystem funktioniert also reibungslos wie immer. Ruth sieht Cathbad am anderen Ende des Zimmers, in seinem lila Umhang, der in dieser Umgebung nicht weiter auffällt. Neben ihm steht Bob Woonunga; auch er trägt einen Umhang, der aber offenbar aus irgendeinem Pelz gemacht ist.
    «Eigentlich weiß ich gar nicht so genau, warum ich hier bin», sagt Ruth. Sie spürt, wie sie Max’ Lächeln erwidert. Ihre Gesichtsmuskeln scheinen etwas eingerostet vom mangelnden Gebrauch. «Cathbad hat mich überredet.»
    «Ja, er kann ziemlich überzeugend sein. Möchtest du einen Kaffee?»
    «Gerne.»
    Sie gehen zu den Kaffeemaschinen hinüber, dicht gefolgt von Klaudia.
    «Groß ist sie geworden», sagt Ruth und tätschelt dem Hund den Kopf.
    «Stimmt», sagt Max. «Demnächst frisst sie mir noch die Haare vom Kopf. Du siehst, ich bin zu einem dieser jämmerlichen Geschöpfe geworden, die ihren Hund nicht einmal einen Tag allein lassen können. Wobei mich ehrlich gesagt der Hundesitter versetzt hat.»
    «Hört sich ja schlimmer an als Kinderbetreuung.» Ruth nimmt sich ein Teilchen.
    Max sieht etwas betreten drein und bückt sich, um Klaudia zu streicheln. «Wie geht es denn deiner … wie geht es Kate? Ich würde sie wirklich gern kennenlernen.»
    Nach Kates Geburt hat Max eine Karte und ein Geschenk geschickt, und eigentlich hat Ruth damit gerechnet, dass diesen Vorboten ein persönlicher Besuch folgen würde, doch irgendwie ist es dazu nie gekommen. Damals hat sie sich eingeredet, erleichtert zu sein. Die letzten Monate waren auch so schon schwierig genug, da brauchte nicht auch noch Max wieder in ihr Leben zu treten. Trotzdem freut sie sich jetzt sehr, ihn zu sehen.
    «Kate geht es gut», sagt sie. «Sie ist letztes Wochenende ein Jahr geworden.»
    «Ein Jahr!» Max ist sichtlich betroffen. «Das kann ich gar nicht glauben.»
    «Stimmt», bemerkt Ruth trocken. «Mir kommt es auch länger vor.» Dabei weiß sie genau, was Max meint. Bevor Kate auf der Welt war, kam es ihr oft vor, als würden die Jahre ineinanderfließen, nur noch dadurch unterschieden, dass ein paar graue Haare mehr dazukamen.

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