Aller Heiligen Fluch
mit dem Sarg. Solche Dinge haben ihn immer wahnsinnig interessiert. Alles, was mit der Vergangenheit zu tun hatte, vor allem mit seinen eigenen Vorfahren, faszinierte ihn. Romilly ist in Südafrika geboren, und obwohl sie in England im Internat war, betrachtet sie sich doch eher als Vagabundin ohne Land. Und ohne Klasse, trotz des elenden Oberschichtakzents, mit dem sie geschlagen ist. Immerhin erweist sich der hin und wieder als nützlich, das lässt sich nicht leugnen. Sie kann sich selbst nicht leiden, wenn sie beim Einkaufen die Verkäuferinnen ankeift, aber bei ihrer Verhaftung haben die Polizisten sie gleich ganz anders behandelt, nachdem sie ein paar Worte gesagt hatte. Sie empfindet nur Verachtung für das englische Klassensystem. Aber Dan – Dan war durch und durch ein britischer Aristokrat.
«Irgendwelche Wünsche bezüglich der Musik? ‹My Way› ist ja immer noch sehr beliebt, auch wenn viele jüngere Trauernde sich stattdessen für ‹The Wind Beneath My Wings› oder sogar für ‹Angels› entscheiden.»
Randolph war der Ansicht, dass es noch zu früh ist, mit dem Bestatter zu reden. Sie wissen ja noch nicht einmal, wann Dans Leiche freigegeben wird. Doch Romilly hat das unbändige Verlangen, irgendetwas zu tun, egal was: die Beisetzung organisieren, die Geschäftsunterlagen sortieren, das Haus verkaufen, die Pferde auf die Koppel bringen. Alles ist besser als hier grässlich tatenlos herumzuhocken, während alle sie so komisch angucken und die Kinder entweder heulen oder streiten. Als Tamsin kam, fand sie in ihr eine Verbündete. «Trübsal blasen bringt nichts», hat Tamsin Caroline angefaucht, «wir müssen uns zusammenreißen.» – «Wieso?», fragte Randolph auf seine zerstreute Art, die alle Welt, mit Ausnahme seiner nächsten Angehörigen, so zauberhaft findet. «Herrgott noch mal, Randolph», brauste Tamsin auf. «Es gibt Dinge, die einfach getan werden müssen.»
Und so sitzen Romilly und Tamsin jetzt mit dem Bestatter zusammen, einem recht finsteren Herrn mit stilisierten Schneeflocken auf dem Pullover. Randolph ist mit seinem Porsche irgendwohin gebraust, und Caroline sitzt im Büro und spricht mit den Besitzern, die zwischen ihren Beileidsbekundungen wahrscheinlich verlangen, dass ihre Pferde einem anderen Trainer anvertraut werden. Romilly empfindet nur Verachtung für die Besitzer. Keiner von denen liebt sein Pferd. Sie wollen einfach nur das Privileg, mit einem albernen Hut über die Rennbahn zu stolzieren, den Bewirtungsbereich für Besitzer und Trainer besuchen und von «meinem Pferd» reden zu dürfen. Dabei würde wahrscheinlich die Hälfte ihr sogenanntes Pferd nicht einmal erkennen, wenn es sie beißen würde, was es sicherlich täte, wenn es die Gelegenheit dazu bekäme.
Zumindest hegte Dan eine echte Zuneigung zu den Pferden. So haben sie sich auch kennengelernt. Romilly arbeitete damals auf einem Gnadenhof in der Nähe von Norwich. Zwei Pferde wurden dort abgegeben, vernachlässigt und verängstigt, aber ansonsten gesund und leistungsfähig. Der Gnadenhof konnte es sich nicht leisten, sie zu behalten – sie brauchten ihre Mittel für die alten und kranken Tiere –, und so bekam Romilly die Aufgabe, alle Stallbesitzer in der Gegend anzurufen und zu fragen, ob sie ihnen zeitweiliges Asyl gewähren würden. Alle sagten nein. Pferde sind ein teures Vergnügen, und keiner wollte sich zwei unbekannte Größen aufhalsen, die ihm das Heu wegfraßen und womöglich noch den anderen Tieren Angst machten. Mit Ausnahme von Danforth Smith. Er kam noch am selben Nachmittag mit einem schicken blauen Pferdetransporter, auf dem in goldenen Lettern «Rennstall Slaughter Hill» stand. Er sprach sanft auf die verängstigten Tiere ein, lud sie mit Engelsgeduld in den Transporter, und als er sich schließlich wieder Romilly zuwandte und sich höflich erkundigte, ob ihre Zeit es erlaube, am Abend mit ihm essen zu gehen, rannte er bei ihr offene Türen ein. Ein halbes Jahr später waren sie verheiratet. Es schadete sicher nicht, dass Danforth neben seiner offensichtlichen Tierliebe auch Unmengen Geld besaß und gerade dabei war, ein großes, modernes Haus zu bauen, dem ganz offensichtlich die weibliche Note fehlte. Romilly war den Schlamm und den Dreck und die schmutzstarrenden Jeans, die die Arbeit mit Pferden so mit sich bringt, allmählich leid. Sie wollte Tiere um sich haben, aber sie wünschte sich auch einen gewissen Luxus – und dieser große Mann mit der markanten Nase, der so gut
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