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Allerliebste Schwester

Titel: Allerliebste Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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nicht mal sechs Uhr.«
    »Das macht nichts.«
     
    In der Nacht wird sie wach, als Tobias zu ihr unter die Decke schlüpft. Sie riecht den Wein in seinem Atem und die Zigarette, die er vor dem Schlafengehen immer raucht. Er rückt ganz dicht an sie heran, legt einen Arm um ihre Taille und drückt seine warme Brust gegen ihren Rücken. Sie versucht, so regelmäßig zu atmen, als würde sie immer noch schlafen. Er streift ihre Haare beiseite, küsst ihren Nacken, und es fällt ihr schwer, ein Schaudern zu unterdrücken; das Gefühl erinnert an eine Fliege, die sich nicht verscheuchen lässt. Sein Griff wird fester, wieder und wieder küsst er sie, es erfordert ihre äußerste Willenskraft, um nicht bei jeder dieser Berührungen zusammenzuzucken. Dann schiebt Tobias eine Hand zwischen ihre zusammengepressten Beine und streichelt die Innenseiten ihrer Schenkel.

    »Ich liebe dich«, murmelt er, »so sehr, dass ich es manchmal fast nicht mehr aushalten kann.« Seine andere Hand wandert unter ihr Schlafshirt, tastet sich über ihren Bauch hoch zu ihrem Busen, reibt über ihre Brustwarzen und kneift leicht hinein, bis sie hart werden. Er nimmt es als Zeichen ihrer Erregung und dreht sie langsam zu sich herum, presst sie an sich, drängt ihr seinen Unterleib entgegen.
    Sie schlägt die Augen auf, sieht sein Gesicht direkt vor ihrem. Jetzt weiß er, dass sie wach ist, mechanisch öffnet sie die Lippen, damit seine Zunge in ihren Mund schnellen kann. »Komm«, seufzt er zwischen seinen Küssen, »ich will, dass du zu mir kommst.«
    Dann liegt sie schon auf dem Rücken. Tobias über ihr, die Hände neben ihrem Körper abgestützt, sein Oberkörper glänzt vor Schweiß. Sie weiß, dass er in ihr ist. Aber sie spürt ihn nicht, alles in ihrem Innern ist wie taub. Über seine Schulter hinweg sieht sie das Mondlicht, das träge durchs Fenster fällt und das Zimmer in ein bläuliches Licht taucht. Wie in einer Geisterbahn, schießt es ihr durch den Kopf. Eine niemals endende Geisterbahn.
    Es dauert nicht lange, dann hört sie an seinem Stöhnen, dass alles vorbei ist. Er bricht über ihr zusammen, sein feuchter Körper mit vollem Gewicht auf ihrem. Noch einmal nimmt er sie fest in den Arm, küsst sie zärtlich, schiebt sich dann von ihr herunter und legt sich bäuchlings neben sie.
    Während sie sich von ihm weg zur Seite dreht, die Bettdecke zwischen ihre Beine geklemmt, um das Pochen
dazwischen zu lindern, laufen ihr Tränen übers Gesicht. Das ganze Zimmer ist jetzt von seinem Geruch erfüllt, dringt in jede einzelne Pore ihrer Haut ein, durchtränkt, erstickt sie. Das ist die Strafe, denkt sie. Die Strafe für eine wie mich.

2
    Montagvormittag - Tobias ist schon in seine Agentur gefahren - ruft Gabriele an und will wissen, ob sie bald wieder zur Arbeit kommt.
    »Tobias sagt, ich muss nicht mehr arbeiten«, erwidert Eva, während sie ihren Körper auf dem weinroten Sofa im Wohnzimmer zusammenrollt.
    »Natürlich musst du nicht«, meint Gabriele. »Aber denkst du nicht, dass es dir guttun würde, wieder zu arbeiten statt den ganzen Tag allein zu Hause zu hocken?«
    »Ich weiß nicht, was mir guttut.« Sie hört Gabriele am anderen Ende der Leitung tief ausatmen.
    »Ich könnte dich hier wirklich gebrauchen«, sagt die Buchhändlerin. »Es gibt viel zu tun, und in ein paar Wochen beginnt schon das Vorweihnachtsgeschäft. Wenn du nicht mehr kommst, werde ich mir wohl eine Aushilfe suchen müssen.«
    »Also gut.« Eva setzt sich auf und betrachtet ihre nackten Füße, die in dem weißen Flokati auf dem Holzfußboden versinken. Ihre lackierten Nägel sehen aus, als würden sie bluten. Seltsam, dass sie sich nach allem,
was geschehen ist, noch die Fußnägel lackiert. »Bin in einer Stunde da.«
    »So eilig ist es auch wieder nicht, nächste Woche reicht völlig.«
    »Nein. Ich komme sofort.«
    »In Ordnung. Dann bis gleich.«
     
    Sie geht ins Badezimmer und stellt sich unter die Dusche. Heißes Wasser rinnt über ihre Haut. Auf einmal fühlt sie neue Energie in sich. Ja, es ist richtig, wieder zur Arbeit zu gehen. Sie wird zurück ins Leben finden. In das Leben, das schließlich weitergehen muss.
    Abtrocknen, eincremen, anziehen. Sie föhnt sich die Haare und steckt sie mit einer Spange aus glänzendem Horn hoch. Genau so, wie Marlene es ihr einmal gezeigt hat. »Du darfst die Haare nicht so streng nach hinten kämmen. Sonst sieht man, dass bei uns die Ohren leicht abstehen. So ist es viel besser, wenn du es etwas lockerer machst.

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