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Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Titel: Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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Fest steht: Er glaubt, krank zu sein.
    Denn wie ein Häufchen Elend sitzt er vor mir und windet sich unter scheinbar starken Schmerzen. Also erarbeite ich mir gedanklich eine To-do-Liste:
    Was ist jetzt wichtig und in welcher Reihenfolge?
    • Handschellen loswerden – wo ist der Schlüssel?
    • Carsten zudecken, damit er sich nicht erkältet
    • Notarzt alarmieren
    • Heiratswunsch überdenken
    Ich rutsche auf allen Vieren in Carstens Richtung, küsse ihn auf die Stirn und bitte ihn: »Bleib ganz ruhig, Liebling, ich helfe dir! Sag mir bitte als Erstes, wo der Schlüssel ist!«
    Liebling stöhnt. Als kleine Denkhilfe strecke ich ihm meine immer noch gefesselten Arme entgegen und winke gezwungenermaßen beidhändig. Carsten zuckt, angstvoll meinen Händen ausweichend, zur Seite, verliert das Gleichgewicht und schreit, als wolle er den Notarzt gleich ohne Telefon herbeirufen. Dabei sackt sein Oberkörper nach rechts weg. Er dreht sich auf den Rücken, während er die linke Hand unverrückbar auf dem Kopf hält. Jetzt liegt er ausgestreckt und parallel zur Küchenzeile vor mir und hechelt. Mir wird schlecht. Ich konnte leidende Menschen noch nie gut aushalten. Schon bei meiner ersten Blutspende während des Studiums ging alles nur so lange gut, bis eine Kommilitonin, die mir beim anschließenden Gratis-Frühstück in der Mensa des »Merkurhauses« in Leipzig gegenübersaß, furchtbar grün im Gesicht wurde. Ihre sichtbare Übelkeit löste in mir einen Fluchtreflex aus, der mich in den Paternoster des Hauses trieb. Dort übergab ich mich spontan und fuhr mehrere Runden, bevor ich vom Blutspende-Team aus dem Umlaufaufzug gezerrt werden konnte.
    Ich atme einmal tief durch und hechte Richtung Wohnzimmercouch. Katze Chica, die es sich zwischenzeitlich in unserem Liebesnest bequem gemacht hat, rutscht nicht einen Millimeter zur Seite, während ich in den Sofaritzen nach dem blöden Schlüssel wühle. Nichts. Ich wische über den Tisch, fühle den Schlüssel, und prompt klappert das Miststück auf dem Laminat. Hektisch rutsche ich, suchend und tastend, auf dem Bauch durchs Zimmer. Da ist er, endlich! Das im Moment nutzlose teure Mieder ist über und über mit Staubflusen und Katzenhaaren bedeckt. »Blödvieh«, kanalisiere ich meinen Ärger Richtung Katze und sprinte mit dem Schlüssel zurück zu meinem Schwerverletzten.
    »Ich hab ihn!«, juble ich und ernte ein erneutes Stöhnen. »Du brauchst gar nichts zu machen, Schatz, bleib einfach liegen!«, beruhige ich Carsten und versuche, den Schlüssel ins Schloss zu bekommen. Keine Chance. Das Schloss ist viel zu dicht an den Handgelenken. Beweglichkeit und Feinmotorik meiner Hände erinnern mich an behäbige Baggerschaufeln. Nach einem Krampf in der rechten Hand breche ich den Versuch ab, lege mich neben Carsten auf den kellerkalten Fußboden, schiebe ihm den Schlüssel zwischen die Finger der rechten Hand und positioniere das Schloss der Handschellen genau daneben.
    »Ich … oahhh … kann … mhm … nicht!«
    »Einfach festhalten, mein Sonnenschein! Los, das kannst du!« Sonnenschein hebt zitternd seine Hand zehn Zentimeter an, trifft das von mir ausgerichtete Schlüsselloch, dreht den Schlüssel und brüllt furchterregend auf.
    »Das hast du toll gemacht!«, lobe ich ihn. Ich lege die Handschellen ab und wickle meinen Helden mumienschlafsackähnlich in die weinrote Wohnküchen-Kuscheldecke. Nur sein blasses, qualvoll verzerrtes Gesicht guckt noch raus. Während ich mich straßentauglich herrichte und schnell in Jeans und Pullover schlüpfe, frage ich die knapp zwei Meter lange, vor mir liegende Mumie so fürsorglich wie möglich: »Meinst du, ich sollte jetzt einen Notarzt rufen?«
    »Ich … oahh … brauche … keinen … mpfh … Arzt! Das … puhhh … wird schon … wieder!«
    »Gut, Liebling, dann halte durch, ich rufe Alexandra an, die weiß bestimmt, was wir machen sollen!«
    Meine Schwester Alexandra ist die einzige Person, die sich mit medizinischen Ausnahmefällen auskennt und Tag und Nacht in Telefonbereitschaft ist. Sie ist in der Familie unsere – leider zu starken diagnostischen Übertreibungen neigende – Medizinfrau.
    »Hallo, Alu? Carsten liegt in der Küche und kann sich nicht bewegen. Er krümmt sich vor Schmerzen im Schulterbereich, liegt bewegungslos auf dem Fußboden, und mir ist schlecht!«
    »Kann er die Zehen noch bewegen?«
    »Jetzt übertreib doch nicht gleich! Er scheint mir nicht gelähmt zu sein!«
    »Schulterschmerzen können

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