Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Aufmerksamkeit bekommt.
Ronny schlägt mit einem Kuli gegen sein Glas.
»Silentium! Ich möchte fortfahren!«
Ich bin verwundert. Was kommt denn jetzt noch?
»Liebe Tati, lieber Carsten! Mit diesem formellen Akt der Entlobung seid ihr jetzt frei füreinander!«
Mein Paternoster-Syndrom macht sich bemerkbar. Carstens nervöser Blick, seine feuchten Hände, die gespannte Ruhe im Saal, Doros unterdrücktes Prusten und das Tätscheln meiner Tochter bewirken ein Kribbeln in meinem nervösen Darm. Carsten wird doch nicht! Kommt jetzt von meinem als Pinguin verkleideten Erdhörnchen etwa der langerhoffte und nicht mehr gewollte Heiratsantrag? Bitte nicht. Das würde mich überfordern. Im Alter kann man seine Pläne nicht mehr so spontan ändern. Hilfe!
Rudi, der immer noch auf der Bühne steht, informiert uns gerade über Paragraf 11 des Bundesgesetzes über die Ehe: »Eine Ehe kommt nur zustande, wenn die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattgefunden hat. Ein Kapitän müsste, um eine Ehe schließen zu können, also in Personalunion Standesbeamter sein, um rechtsgültige Trauungen vornehmen zu dürfen, und selbst dann dürfte er dies nur in Küsten- und Standesamtsnähe tun. Letzteres ist gegeben.«
Eheschließung? Um Gottes willen. Ich war gerade glücklich und zufrieden. Ronny unterbricht meine angstvollen Gedanken.
»Und darum werde ich im Rahmen meiner Möglichkeiten handeln und mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen!« Oh, Ronny, wenn du jetzt was Falsches sagst, bist du die längste Zeit mein Kumpel gewesen, denke ich ängstlich. Bestimmt ist meine Schminke verschmiert und mein Gesicht knallrot angelaufen.
»Ich bitte euch beide auf die Bühne!«
Meine Tochter gibt mir einen Schubs, alle anderen klatschen fröhlich. Hoffentlich rutschen mir jetzt nicht die halterlosen Strümpfe runter, schießt es mir durch den Kopf. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so weiche Knie auf einer Bühne gehabt zu haben. Glücklicherweise bleiben die Strümpfe da, wo sie sind. Carsten greift meine Hände und steht mir direkt gegenüber.
Er scheint plötzlich gar nicht mehr aufgeregt, schaut mich listig-lustig an und sagt: »Meine liebe Tati, du bist für mich unvergleichlich: deine Art, dein Leben zu leben, welche Beachtung du ihm schenkst, welche Werte dein Leben bestimmen, wie du liebst und mit der Liebe umgehst. Ich liebe alles an dir: deine Schönheit, wenn ich dich am Morgen anblicke, dein Lächeln, welches du mir schenkst, wie du dich gibst, wenn du dich unbeobachtet fühlst und ich einfach nur glücklich bin, wenn ich dich ansehen darf. Ich bin jeden Tag aufs Neue erstaunt, welche Gefühle du mir entlockst, wie angenehm es ist, sich bei dir auch einmal fallen zu lassen, dein Vertrauen zu erfahren und jeden Tag mehr von dir zu entdecken. Ich habe durch dich einen Plan vom Glück, vom Leben und von der Liebe!«
Ist das furchtbar. Ich entreiße Carsten meine rechte Hand, um mein sichtbar zitterndes Knie festzuhalten. Kaum ist mein Knie festgestellt, zittern meine Hände wie verrückt. Ich schaue meinen glücklich wirkenden Pinguin fragend an und mir laufen ungewollt Sturzbachtränen die Wangen hinunter. Carsten unterbricht kurz seinen Redefluss, nimmt ein Taschentuch und wischt mir tapsig übers Gesicht.
»Ich bin mir ganz sicher, dass mich mein Gefühl nicht täuscht, in dir die Frau gefunden zu haben, die mir zur Ausgeglichenheit fehlte. Ich möchte, dass du meine Liebe erkennst und spürst, ohne dass wir eine Urkunde unterschreiben müssen, denn in meinem Herzen bin ich längst mit dir verheiratet!«
Hinter uns sortiert Ronny seine Zettel auf dem Pult.
»Mchm!«, hüstelt er, und ich schnäuze mir die Nase. Aus dem Theatersaal höre ich ein vielzähliges Schnäuz-Echo. Tino spielt leise Musik ein. Mein Lieblingslied »Auf halber Strecke« säuselt aus den Boxen, und Ronny sagt mit fester Stimme: »Tati, möchtest du den hier anwesenden Carsten bei glatter See und Sonnenschein genauso lieben wie bei Sturm und Monsterwellen, willst du ihm treu sein in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Willst du ihn heute vor deinen Eltern, Verwandten und Freunden im Herzen heiraten?«
Meine Mama lächelt mich selig an, Papa hüstelt verlegen hinter der Kamera, meine Schwester nickt triumphierend in meine Richtung, und Carsten hält mich ganz fest an den Händen.
Ich blicke zu ihm hoch, hole tief Luft und sage: »Ja, ich will!«»Ich will auch, unbedingt!«, sagt mein Herzensbräutigam ungefragt und
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