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Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Titel: Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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nächsten zwei Monate einen Heiratsantrag machen, denn logischerweise kann mir Carsten seinen Pass, seine Geburts-, Ehe- und Scheidungsurkunde erst geben, wenn er mich gefragt hat und danach von mir erfahren wird, dass der Termin bereits feststeht.
    Ich höre einen Korken ploppen. Carsten hat die zweite Flasche Riesling geöffnet und wird sich gleich wieder an mich schmiegen. Die Fesseln fühlen sich immer noch zu eng an. Mein sexuelles Verlangen hält sich offensichtlich in Grenzen. Mist! Wir Frauen haben es ohnehin nicht leicht beim Sex. Immer muss alles genau stimmen, ehe wir dazu bereit sind: die Mondphase, der Menstruationszyklus, die Ordnung im Haus. Den Wäscheständer habe ich vorsichtshalber weggeräumt, die Spinnweben an der Decke direkt über meinem gemütlichen breiten, blauen Sofa zur Vermeidung von Ablenkungsgefahren beseitigt. Wir haben Kerzen angezündet und schöne Musik eingelegt. Musik, die wir beide mögen. Ich habe mir meine Reizwäsche angezogen, damit ich mir keine Sorgen um die Ringe am Bauch machen muss, und der Mann, mein Mann – der stimmt auch. Alles stimmt. Wieso stimmt dann meine Libido nicht? Hallo? Libido?
    Vielleicht muss ich in meinem Alter mehr Konzentration aufbieten, um in Stimmung zu bleiben. Ich versuche es und denke an Sex. Sex, Sex, Sex, Sex. Carsten scheint den Kühlschrank sehr laut zugeschlagen zu haben. Ich höre lautes Poltern aus der Küche. Bloß nicht ablenken lassen. Immer weiter denken: Sex, Sex, Sex, Sex. Sonst geht’s wieder weg! Sex, Sex, Sex, Sex. Es scheint zu funktionieren!
    Jetzt könnte Carsten aber langsam den Wein bringen. Wenn er weiter so bummelt, lenkt mich vielleicht doch noch der Wachsfleck auf dem Couchtisch ab.
    »Carsten!«, rufe ich stöhnend. Carsten stöhnt aus der Küche zurück. Manchmal hat er einen komischen Humor. Jetzt bloß nicht lachen, sonst war die ganze Aufbauarbeit umsonst.
    »Komm schon, Süßer! Ich will dich!«, keuche ich so laut wie möglich. Er antwortet nicht. »Schatz?« Nichts. Komisch. Verunsichert schwinge ich meine zusammengebundenen Füße auf den kalten Laminat-Fußboden, beuge mich vor und versuche, trotz der Handschellen den Knoten im Seidenschal zu lösen. »Carsten?« Undefinierbare Geräusche dringen durch die Küchentür zu mir. Ungefähr so, als ächzte jemand unter der Last eines schweren Sackes, den er hinter sich herzieht. Endlich lockern sich die Bänder. Hektisch winde ich meine Füße aus dem Seidenschalsalat und sprinte durch den Flur. Hoffentlich verscheißert er mich nicht! Das macht er gern und manchmal so lange, bis ich sauer werde. In so einem Fall stellt er sich zur Deeskalation der Situation vor mich hin, stützt seine Hände in die Hüften und steppt wie Fred Astaire mit Magen-Darm-Grippe und so dilettantisch, dass ich lachen muss.
    Beim Öffnen der Küchentür bleibe ich mit den Handschellen hängen, bin wütend und fluche. Als ich endlich mit dem kleinen Finger der rechten Hand die Tür aufdrücke, hoffe ich nur, keinen nackten und mit der Weinflasche in der Hand steppenden Carsten anzutreffen.
    Es ist ganz still. Nur leise dringt Jackos »Smile«-Version aus dem Wohnzimmer herüber, aber bei dem, was ich jetzt sehe, ist mir gar nicht zum »smilen«. Mein Prinz, der Mann, den ich wirklich gern heiraten will, sitzt auf dem Küchenfußboden. Wäre er nicht nackt, würde mich seine legere Haltung in Kombination mit seinem verwegenen Dreitagebart an einen betrunkenen Cowboy erinnern. Er lümmelt mit dem Rücken an der eichefarbenen Country-Küchen-Kühlschranktür und hat seinen linken Unterarm auf dem Kopf abgelegt. Allerdings ist sein Gesicht schmerzverzerrt. Er blickt kaum auf und stöhnt ein undeutliches: »Rücken!« Ich beuge mich zu ihm hinunter und strecke ihm meine gefesselten Hände als Aufstehhilfe entgegen.
    »Ich kann meine Arme nicht bewegen! Mein ganzer Schultergürtel schmerzt wie Hölle!«, krächzt Carsten. Was soll ich jetzt machen? Mit Handschellen und in Strapsen kann ich schlecht den Nachbarn bitten, meinen nackten Mann von der Erde aufzuheben.
    Auf der anderen Seite neigen Männer bei Schmerzen zu starken Übertreibungen, kommt mir in den Sinn. Vielleicht reichen eine Tablette, ein paar Streicheleinheiten und etwas Rheumasalbe auf der Schulter, und mein Schatz fällt wieder lüstern über mich her? Tausend Gedanken toben durch meine Hirnwindungen. Okay, Tati, jetzt ganz ruhig bleiben und nachdenken. Es ist völlig egal, ob er wirklich plötzlich ernsthaft krank ist oder nicht.

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