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Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition)

Titel: Alles Azzurro: Unter deutschen Campern in Italien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Götting
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wie sich meine Eltern Minuten später furchtbar mit dem Rezeptionisten stritten, der wort- und vor allem gestenreich versicherte, er habe nie behauptet, dies sei die Pensione Alma. In Wahrheit war der freundliche Herr von der Straßenkreuzung der Kopf einer berüchtigten Schlepperbande, wie man sie heute aus Osteuropa kennt. Er hatte uns ganz einfach reingelegt und ins falsche Hotel geschickt. Wenigstens stand unser Auto noch auf dem Parkplatz. Und das Autoradio war auch immer noch drin.
    Meine Mutter konnte, nachdem der herbeigerufene Carabiniere bei den Formalitäten unseres Check-outs behilflich war, am frühen Abend auch noch das neue Zimmer in der wirklichen Pensione Alma putzen. Wobei sie diesmal etwas sparsamer mit dem Sagrotan war. Man weiß ja nie.
    Es war ein wundervoller Urlaub, zu dem Albano & Romina Power einen unvergesslichen Soundtrack lieferten. Ich blickte fasziniert auf die irrwitzig blinkenden Daddel-Automaten der Open-Air-Spielhöllen entlang der Strandpromenade. Im Fernsehraum unserer Pension lief rund um die Uhr die Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaft in Argentinien, und so lernte ich auch das schöne Wort vom »Schluchtenscheißer« kennen, das einer der deutschen Gäste aus vollem Halse schrie, nachdem der Kranklhans in einem verfluchten Ort namens Cordoba das 3 : 2 für Österreich geschossen hatte. Selbst die Italiener jubelten mit, als hätte es all die Jahre unter dem Habsburger Joch nie gegeben.
    Danach habe ich Italien lange Zeit gar nicht mehr und später nur noch dienstlich bereist. Vulkanausbruch und Erdbeben. Die Flüchtlingswelle auf einer Mini-Insel, deren Name klang wie aus Tausendundeiner Nacht. Die funkelnden Abenteuer des erotomanen Premierministers. Spätestens, als ich ein Porträt über Francesco Totti, den römischen Fußballheiligen, schreiben sollte, wurde mir klar, dass jedes Land die Helden hat, die es verdient. Er war ein verdammt netter Kerl, der es in Anwesenheit einer Dolmetscherin fertigbrachte, während eines eineinhalbstündigen Interviews unentwegt in der linken Tasche seiner Trainingshose rumzufummeln.
    »Toni, ohne Scheiß, ich brauche einen Survival-Plan.« Ich löffelte apathisch in meinem Cappuccino.
    »Jetzt mach mal halblang. Hast du nicht mal bei der Bundeswehr dieses Dings da mitgemacht? Wie hieß das noch? Weißt schon, wo sie euch entführt haben …«
    » Hostile Environment Training, meinst du? Ich finde, der Begriff trifft es übrigens für einen Campingplatz ganz gut.«
    »Ach geh, was soll dir da schon passieren?«
    »Ich sag dir, mit einem deutschen Spießer ist deutlich weniger zu spaßen als mit dem finstersten tschetschenischen Freiheitskämpfer.«
    »Als wäre es in deinen überdrehten Ferienclubs besser.«
    Damit hatte er einen wunden Punkt getroffen. Ein paar Jahre zuvor hatte ich ihn genötigt, mit mir nach Portugal in einen Club zu fliegen. Björn Borg, der wirklich echte Björn Borg, unterrichtete dort eine Woche lang als Tennislehrer, und jeder Hans und Franz konnte ihn buchen. Toni ließ sich nur bequatschen, weil er beim Tennis immer noch die original Björn-Borg-Klamotten von Fila aus den Achtzigerjahren trug. Er wollte sehen, wie der Meister auf diesen nostalgischen Anblick reagieren würde. Und wohl auch, wie ein Tennisgott, der all seine Kohle für die falschen Frauen auf den Kopf gehauen hat, so drauf ist.
    Man hatte uns in einem von geschätzt vierhundert Bungalows einquartiert, die sich einzig aufgrund der Hausnummer unterschieden. Das Konzept des Bargeldes hatte man abgeschafft, dafür gab es ein gefühltes 24-Stunden-Buffet, wenn auch mit eher gering alternierendem Speiseplan. Die Anlage selbst war eine deutsche Enklave an der Algarve. Eine Region, die sonst ja unter der Patronage marodierender Briten steht, die allesamt so aussehen wie Wayne Rooney, sich aber noch furchterregender aufführen. Wir blieben vorsichtshalber immer auf unserer Seite des Zauns.
    »Okay, eins gebe ich zu – der Campingplatz ist die ehrlichere Option.«
    Toni war bei seinem zweiten Viertelchen angekommen. »Überleg doch mal. Zeltlager, das war doch früher das Größte. Mit den Mädels schmusen und so.«
    Im Prinzip stimmte das ja. Camping, das klang in meiner Jugend immer nach Saufen und Kiffen, also ganz klasse. Ich war nur nie dabei. Ich habe mich immer gefragt, warum man das alles nicht auch in einem ordentlichen Hotel machen kann, da stinkt’s dann auch nicht so nach feuchten Socken, und du hast nicht dauernd irgendwelches

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