Alles bleibt anders (German Edition)
glücklich sein, wie es vorhergesehen war. Mit seinem Alter Ego hätte er gern getauscht, doch verspürte er weder Neid noch Eifersucht.
»Halt«, sagte Paul plötzlich und riss die anderen aus ihren Gedanken, »da ist ein Logikfehler. Wenn Professor Robert Gothaer nie geboren wird, wird er auch nicht die Zeitreise-Sarkophage entwickeln können. Also kann er auch nicht in der Zeit zurückreisen und diese verändern. Eine Manipulation der Zeitlinie ist also unmöglich. Die Vergangenheit würde sich quasi 'von selbst' regulieren.«
»Nur eine Theorie«, entgegnete Robert, »ich bin mir dessen bewusst. Und wir haben keine Garantie, dass wir sie nicht auch bestätigen werden. Möglicherweise richten wir sogar Schaden an der von Einstein beschriebenen Raum-Zeit an. Dennoch: Ich bin hier und ich bin Herr meiner Sinne. Ich begebe mich ins Jahr 1944 und verändere unsere Vergangenheit. Es wird funktionieren. Danach wird nichts mehr so sein wie es war und keiner wird sich mehr daran erinnern, dass die Deutschen Europa fast hundert Jahre mit eiserner Hand unterdrückt hielten. Ich werde tot sein, ich werde offiziell nie gelebt haben und doch dafür verantwortlich sein, die Nationalsozialisten vom Kontinent getilgt zu haben. Der Ruhm dafür, die Ehre, sie sind mir einerlei. Jeder Mensch muss wissen, was seine Pflicht ist und entsprechend handeln.«
»Was wird mit euch beiden geschehen?«, fragte Paul.
»Ich weiß es nicht«, bekannte Robert.
»Die Voraussetzung für euren Transfer, Roberts Erfindung, wird nicht mehr existieren«, sagte Tristan, »vielleicht löst ihr euch einfach in Luft auf, sobald die manipulierte Vergangenheit die Gegenwart verändert.«
»Oder ihr strandet schlicht und einfach in Portsmouth 1944 und baut euch eine neue Existenz auf«, meinte Marianne, »und dennoch wird Frank 1978 das Licht der Welt erblicken.«
»Auf jeden Fall nehmen wir die Signalgeber mit«, beschloss Frank, »vielleicht kommt ja alles ganz anders.«
6
Jans Mutter hatte gezetert und Jan aufs Übelste beschimpft, als er sich aus ihrem Kleiderschrank bedient hatte. Die Kleidungsstücke hatten ihrem bereits vor Jahrzehnten verstorbenen Mann gehört. Frau Petersen hatte sie stets sorgsam aufbewahrt und so wurde Jan sehr schnell fündig.
Über dem Arm trug er nun einen braunen Wollmantel und eine auffällig gelbe, gefütterte Regenjacke, als er in den Raum mit den Sarkophagen trat. Alle anderen waren bereits dort und bereiteten die letzte Reise vor.
Robert griff sich den Wollmantel und schlüpfte hinein, Frank zog sich die Regenjacke über.
»Hoffentlich ist das ausreichend für den Sturm an der angelsächsischen Küste«, sagte Frank und sah an sich hinab.
»Altmodisch genug, damit ihr möglichst wenig Aufmerksamkeit erregt, ist es jedenfalls«, sagte Marianne und rümpfte die Nase, »Roberts Wollmantel stinkt nach Mottenkugeln.«
»Meine Mutter hat sämtliche Dinge aufbewahrt, die meinem Vater gehört hatten. Und sie hat sie entsprechend konserviert. Falls ihr tatsächlich hierher zurückkehrt, rate ich euch gut, die Kleidungsstücke wohlbehalten bei meiner Mutter wieder abzuliefern. Sie wird jeden Knopf nachzählen und überprüfen, ob es noch der originale ist.«
Jans Versuch, die angespannte Atmosphäre aufzulockern, misslang.
Robert reichte den vier Zurückbleibenden ein letztes Mal die Hand. Frank tat es ihm gleich, doch bei Tristan hielt er inne, umarmte ihn und drückte ihn fest an sich.
»Dein Stottern, Tristan«, flüsterte er ihm ins Ohr.
»Ja?«
»Sie hat ganze Arbeit geleistet, deine 'Barbara'.«
Tristan lächelte und Frank fuhr fort: »Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass ihr euch wieder trefft, dass euch das Schicksal oder Gott oder an wen du bald auch immer glauben magst, wieder zueinander finden lässt. Vieles entwickelt sich parallel, das wissen wir. Wir haben also allen Grund zur Hoffnung.«
»Und du, Frank, ich habe das Leuchten in deinen Augen gesehen, ein Leuchten, das sie damals in Oxford noch nicht kannten. Ich wünsche dir, dass du diese Frau treffen wirst, deren Zwillingsschwester in einer anderen Welt ihren Frank wieder lieben wird.«
Frank nickte und löste sich von Tristan.
Dann legte er sich stumm auf die ausgefahrene Liegefläche des einen Quaders, bekreuzigte sich und schloss die Augen. Während Robert sich auf die Matte der anderen Metallplatte begab und seinen Gehstock eng an sich drückte, übernahmen Tristan und Marianne ihre Positionen an den beiden Rechnern. Jan und Paul stellten sich hinter
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