Alles bleibt anders (German Edition)
sprechen klare und deutliche Worte.«
»Und das andere Germania? Berlin – wie sieht es aus?«
»Es ist chaotisch und schmutzig!«
»Laut und stinkend!«
»Ein heilloses Durcheinander.«
»Jeder macht, was er will.«
»Von Fremdrassen bevölkert.«
»Neger, Türken, Araber.«
»Die Straßen voller Schlaglöcher.«
»Zigarettenrauchende Kinder.«
»In der U-Bahn ein Sprachengewirr wie auf dem Baugerüst des Turms zu Babel.«
»Menschen mit roten Hahnenkämmen auf dem Kopf, Menschen mit eingerissenen Hosen, Menschen mit Tätowierungen quer über das Gesicht.«
»Frauen in Anzügen, Männer in Frauenkleidern.«
»Bettler und Obdachlose.«
»Arbeitslosigkeit und Armut.«
Frank und Tristan übertrafen sich wechselseitig mit ihrer Zustandsbeschreibung.
»'Demokratie ist Chaos' hat einmal ein weiser Mann gesagt«, entgegnete Jan, »'und Diktatur ist Ordnung'«
»Anarchie ist Chaos«, berichtigte Robert, »und das Chaos ist die natürliche Ordnung der Dinge. Ich erinnere an die 'Theorie der nichtlinearen Systeme'. Die Demokratie versucht im Gegensatz zur Diktatur das Chaos nicht zu zerstören, nein, sie versucht es zu strukturieren.«
»'Strukturiertes Chaos', ja, das ist die beste Beschreibung der 1944er Ebene«, bestätigte Frank.
»Es sind offen Homosexuelle in öffentlichen Ämtern und hohen politischen Funktionen«, erzählte Tristan und sah, wie sich Jans und Pauls Hände bei seinen Worten sanft berührten, »ich habe in diesen wenigen Stunden mehr übergewichtige Menschen gesehen, als es sie vermutlich auf der ganzen Insel Bornholm gibt; an jeder Straßenecke wird am helllichten Tag Alkohol verkauft, das Rauchen ist in der Öffentlichkeit gestattet. Mich würde es nicht wundern, wenn man sich in jeder Apotheke Plutonium kaufen könnte. Ein zügelloses Leben.«
»Ein freies Leben«, widersprach Frank, »mit Respekt vor dem Andersdenkenden. Das Individuum zählt, nicht das Kollektiv. Selbstbestimmung und Selbstverantwortung statt Gruppenzwang und Sippenhaft.«
»Wir wollen tatsächlich dafür Sorge tragen, dass aus unserer Welt ein Ebenbild dieser anderen wird?«, fragte Tristan in die Runde.
»Dass das Deutsche Reich den Krieg verliert und die Ostgebiete abgetrennt werden? Dass Millionen von Deutschen vertrieben und ein großer Teil von ihnen auf der Flucht in den Westen sterben werden?«
Betretenes Schweigen.
»Wir wollen keine Konzentrationslager im Jahr 2008«, flüsterte Frank, »keine Rasse, die sich zur Herrenrasse über die anderen erhebt. Wir wollen keine Menschenversuche, keine Völkermorde, keine Morde an Menschen, die einer Minderheit angehören. Die Diktatur muss ausgetilgt werden. Unterdrückte Menschen in ganz Europa assoziieren Not, Elend, Willkür und Tod mit den Deutschen: das muss ein Ende haben. Ein für allemal. Kein Nationalsozialismus auf dem deutschen Boden des Jahres 2008.«
»Ja«, bestätigte auch Robert, »wir wollen, dass aus unserer Welt ein Abbild der anderen wird. Es liegt in unserer Hand, die Geschichte zu korrigieren und wir werden dieses Unternehmen zu einem Abschluss bringen, ich glaube, ich spreche da für uns alle. Lieber ein Ende mit Schrecken.«
Er blickte in die Runde, sah einem nach dem anderen in die Augen: Keiner protestierte.
»Ich wollte nur noch einmal sicher gehen, dass wirklich jedem hier am Tisch die Tragweite unseres Plans bewusst ist«, sagte Tristan.
»Ich fasse zusammen«, fuhr Frank pragmatisch fort, »wir reisen zurück – die erste Reise eines Menschen durch die Zeit – bis vor den vierten Juni 1944, nach Portsmouth, suchen dort nach Hauptmann Stagg und überzeugen ihn davon, dass es besser wäre, mit der Invasion bis zum sechsten Juni zu warten.«
»Klingt einfacher, als es sein dürfte«, meinte Jan.
Aus der oberen Etage war ein ungeduldiges Klopfen zu hören.
»Sie ist fertig, ich kann dann abräumen«, lächelte Jan und verließ die Küche.
»Die Sprache«, fiel Tristan dabei ein, »Jans Mutter spricht dänisch.«
»Ja, und? Was hat das mit uns zu tun?«, fragte Paul.
»Portsmouth«, sagte Tristan, »dieser Hauptmann Stagg, die alliierten Truppen. Wir brauchen jemand, der englisch spricht!«
Sämtliche Augen richteten sich auf Robert.
»Mir war von Anfang an klar, dass ich den letzten Schritt selbst tun müsste«, sagte dieser, »ich habe die technischen Voraussetzungen für unsere Operation geschaffen und ich habe unseren Plan initiiert. Und ich werde nun auch selbst die Reise antreten, um uns von der Geißel der Gegenwart zu befreien.«
Einem schlechten
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