Alles Gold Der Erde
sein. Ning aß mit dem Messer und goß seinen Kaffee in die Untertasse, um ihn abzukühlen. Kendra mochte ihn jedoch gut leiden. In ihrer jetzigen Stimmung mochte sie überhaupt alle gut leiden, aber selbst in den nüchternsten Augenblicken mußte sie zugeben, daß Ning alles andere als ein Narr war. Mit ihm als Führer hatten sie nichts zu befürchten.
Er ging mit ihr in den Hof und lehrte sie, ein Feuer zu entfachen. Kendra verbrannte sich zunächst einmal die Finger, bekam die Nase voll Rauch, hustete, lachte über sich selbst und versuchte es abermals, bis es ihr am Ende gelang. All das machte ihr viel Spaß.
Ning wollte mit einer Reisegesellschaft nach Shiny Gulch. Dies war sicherer, da sie ein ziemlich einsames Land zu durchqueren hatten. Mit Sorgfalt hatte er die Gefährten ausgesucht. Ning selber hatte sich einst durch die weiten Ebenen des Mittleren Westens nach Kalifornien seinen Weg gebahnt, und er wußte, daß man mit manchen Leuten gut fuhr, mit andern dagegen ausgesprochen schlecht. Die guten Reisegefährten – nun, die waren eben in Ordnung. Wenn er nicht glaubte, die passenden Leute gefunden zu haben, wäre er allein zurückgekehrt und hätte Ted seinem Schicksal überlassen.
Ted sagte zu Kendra: »Außer uns und Ning kommen noch acht Personen mit. Zunächst einmal Pocket, dem es langweilig wird, auf eine Nachricht seiner Dienstherren zu warten. Er will ins Fort reisen und herausfinden, was dort los ist; vielleicht zieht er dann mit uns in die Berge, um ein wenig Gold aufzuklauben.«
»Ich freue mich, daß er mit uns kommt«, sagte Kendra. »Er gefällt mir. Wer ist sonst noch dabei?«
Sie saßen nach dem Essen am Tisch. Ted war in bester Laune. Kendra hatte ihm eine Fleischpastete serviert, und nun nippten sie an ihrem Kaffee, während das Feuer im Kamin prasselte und der Wind ums Haus stürmte.
Ein anderer Reisegenosse würde ein Seemann sein, kein Deserteur, sondern ein ehrlicher Bursche, der durch seiner Hände Arbeit nach Kalifornien gekommen war. »Und zwar auf der Cynthia«, fügte Ted lachend hinzu. »Ich soll dich fragen, ob du dich noch an ihn erinnerst. Er sagt, du hättest eines Tages am Kap Horn mit ihm geflirtet.«
Kendra lachte auf, als ihr der große Seemann mit dem rostroten Bart einfiel, der sie aus der Takelage angegrinst hatte. »Natürlich kann ich mich an ihn erinnern. Wie heißt er denn?«
»Hiram Boyd. Er kommt aus der Gegend von New York. Er wollte nach Kalifornien, hatte aber kein Geld für die Passage. Deshalb ließ er sich auf der Cynthia anheuern.«
Pocket und Hiram würden sich um die Packpferde kümmern. Beide verstanden etwas von Pferden, und Pocket war zudem ein Meisterschütze. Er war in den Bergen von Kentucky aufgewachsen, wo ein Junge das Schießen lernt, sobald er imstande ist, einen Revolver zu halten. Er würde von großem Nutzen sein, falls sie Pferdedieben oder andern Störenfrieden begegneten.
»Hiram und Pocket«, rechnete Kendra, »das sind aber erst zwei. Du hast doch von acht Personen gesprochen. Wer sind die andern?«
»Kendra, wie prüde bist du eigentlich?«
»Ich glaube nicht, daß ich überhaupt prüde bin«, gab sie mit einiger Überraschung zurück. »Was meinst du damit?«
»Entsinnst du dich noch dieses Mädchens in Honolulu, das du im Laden gesehen hast?«
Kendra stellte ihre Tasse klirrend hin. »Aber Ted! Kommt Marny mit uns?«
»Ja, Marny und ihre Partner. Wie ich sehe, macht dir das nichts aus.«
»Aber nein. Ich finde das sogar großartig. Ich habe nie solche Leute kennengelernt. Warum gehen sie nach Shiny Gulch?«
»Sie wollen ein Spielzelt aufmachen. Delbert hat mit Ning gesprochen.«
»Du wirst mir doch nicht einreden wollen, daß Delbert seinen Mund aufmachen und sprechen kann.«
»Doch, das kann er, und zwar ganz vernünftig. Er meint, da sie hier fremd seien, brauchten sie Führer ins Goldland. Er hat einen anständigen Preis geboten, wenn Ning und ich sie hinbringen.« Ted sprach sachlich. Kendra jedoch war aufgeregt. Ted fuhr fort:
»Als ich in Honolulu war, bin ich manchmal in Marnys Salon gegangen, um ein Spielchen zu wagen. Marny ist gutmütig, und sie versteht ihr Geschäft. Sie und ihre Freunde werden uns keine Schwierigkeiten machen.«
Während sie den Tisch abräumte, fragte sich Kendra, wie ein Mädchen wohl auf die Idee kommen konnte, als Bankhalterin in einem Spielsalon zu arbeiten. Sie fragte sich auch, woher Marny stammte und wo sie ihre Fingerfertigkeit erlernt hatte. Das Unternehmen schien
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