Alles Gold Der Erde
»Haben auch Sie ihn ausgelacht, als er Sie beschuldigte?«
»Nein, das konnte ich nicht. Ich kenne ihn ja besser, als sie ihn kennt. Ich verstehe, wie ernst er diese Dinge nimmt. Aber ich kann Ihnen sagen: Der Rest der Reise war nicht gerade angenehm. Als wir in San Francisco anlegten, wußte ich, daß ich nicht länger mit ihm zusammenarbeiten konnte. Deswegen habe ich ihm mitgeteilt, ich sei bereit, unseren Vertrag aufzukündigen.«
Loren verabschiedete sich bald darauf, und Kendra ging ins Haus, um mit den Erdbeeren einen Mürbekuchen zu backen. Abends, beim Essen, erzählte sie Ted die Geschichte Lorens. Sie merkte, daß er amüsiert den Mund verzog.
»Warum lachst du?«
»Loren ist zu nett, um dir alles zu sagen, was auf diesem Schiff vor sich gegangen ist. Vielleicht ist er aber auch so harmlos, daß er es gar nicht mitbekommen hat.«
»Was soll denn vor sich gegangen sein?« fragte Kendra verwundert.
»Nun, zwischen Honolulu und dem Sturm haben Pollock und Marny eine Nacht gemeinsam verbracht.«
»Oh, ich verstehe.« Kendra wunderte sich, daß sie nicht von selbst darauf gekommen war. Ted lächelte.
»Hat dir Loren denn nicht erzählt, daß Pollock in Marnys Spielsalon ging, weil er sie gern hatte?«
»Doch. Er meinte, an Land sei Captain Pollock anders als an Bord.«
»Das scheint mir auch so. Ein bißchen Sünde an Land – ja. An Bord – um Himmels willen nicht. Aber in Honolulu war Marny stets von Männern umringt. Vermutlich hatte mindestens einer ältere Rechte auf sie und war wohl auch bereit, diese Rechte notfalls mit dem Revolver zu verteidigen.«
Kendra hörte stumm zu. Ted sprach weiter:
»Auf dem Schiff hatte sie ihre Kabine, und Pollock brauchte keinen Rivalen zu fürchten. In der Minute, als er sie sah, wußte er auch schon, daß ihm sein Schicksal begegnet war.«
»Wie konnte er aber wissen, daß Marny ihm zu Willen sein würde?«
»Liebling, Marny denkt über diese Dinge nicht so wie du. Für sie war das sicher bloß eine Bagatelle. An Land wäre es für Pollock wahrscheinlich auch nicht mehr als das gewesen. An Bord freilich sah alles anders aus. Als der Sturm einsetzte, glaubte er, nun werde seine jungfräuliche Cynthia besudelt.«
»Er hat aber doch behauptet, Marny sei schuld an dem Sturm gewesen«, rief Kendra empört.
»So ist nun mal die menschliche Natur, Kendra. Wenn wir etwas tun, was wir nicht tun sollten, beschuldigen wir stets einen andern. Das hat schon mit Eva angefangen. Liebes, hältst du mich für einen argen Fresser, wenn ich dich bitte, mir noch ein Stück von dem Erdbeerkuchen abzuschneiden?«
Kendra lachte. »Iß, solange du noch Gelegenheit dazu hast. Wenn ich unter freiem Himmel kochen muß, werde ich wohl kaum zum Kuchenbacken kommen.«
»Ein dickes Stück«, bat Ted.
Zwei Tage später, am 25. April 1848, brachen sie auf ins goldene Land. Sie waren seit neun Tage miteinander verheiratet.
10
Auf Nings Rat wollten sie den Landweg einschlagen, also bis zur Südspitze der Bucht reiten und dann nach Norden und Nordosten über Sutters Fort. Dies würde zwar länger dauern, als wenn sie den Sacramento River hinaufgesegelt wären, doch erinnerte Ning sie daran, daß keiner von ihnen imstande sei, eine Barkasse zu steuern, mit Ausnahme des Seemanns von der Cynthia vielleicht, aber der allein würde damit auch nicht fertig werden.
Sie beluden die Wagen mit Lebensmittelvorräten, Kleidern, Bettzeug, Gewehren und Werkzeugen sowie mit Glasperlen und Gesichtsfarbe zum Handel mit den Wilden. Die meisten Leute nannten diese Wilden Digger-Indianer, was Ning indessen mißfiel. Er kannte das robuste Volk der Prärien. Wenn man die primitiven kalifornischen Geschöpfe auch als Indianer bezeichne, so beleidige man die echten Rothäute. Da er auf seiner Meinung beharrte, hatte Ted vorgeschlagen, diese Abart doch einfach Aborigines, also Ureinwohner, zu nennen. Ning hatte dieses Wort noch nie gehört und fand es schwer auszusprechen, deshalb verkürzte er es auf ›Abs‹. Von nun an waren für ihn und die andern alle kalifornischen Wilden Abs.
Die Gesellschaft versammelte sich am frühen Morgen: elf Personen mit zwanzig Pferden und drei Planwagen. Die Reisenden waren Ning, Ted und Kendra; Pocket und Hiram, der Matrose von der Cynthia; Marny und Delbert mit zwei Männern und zwei Frauen, die für sie arbeiteten. Diese Helfer waren jene beiden Burschen, die man Schwarzbärte rief und die den Betrüger aus dem Spielsalon in Honolulu gefeuert hatten, sowie zwei
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