Alles oder nichts
den Safe auf Fingerabdrücke, mußten aber feststellen, daß er mit einem öligen Lappen sorgfältig abgewischt worden war. Der Lappen wurde später in Miss Starrs Zimmer, in einer leeren Hautcremedose versteckt, aufgefunden.«
»War es wirklich der gleiche Lappen?« warf ich ein.
»Ja, das konnte einwandfrei nachgewiesen werden. Der Lappen war mit Waffenöl von einem bestimmten Fabrikat getränkt. Es war das gleiche Öl, mit dem der Safe abgerieben worden war. Außerdem wurde in Miss Starrs Zimmer eine halbvolle Flasche von diesem öl gefunden. Es wies auch alles auf eine hastige Flucht hin, denn Miss Starr hat nichts von ihren Sachen mitgenommen. Sie hat sogar ihre Toilettenartikel und ihre Zahnbürste zurückgelassen. Sie ist einfach davongelaufen.«
»Und die Polizei hat sie nicht gefunden?«
»Noch nicht.«
»Was sollen wir denn nun für Sie tun?«
Dr. Devarest blickte auf den Ozean hinaus. »Ehe ich Ihnen begegnet bin, war ich mir noch gar nicht darüber klar, ob ich etwas unternehmen sollte oder nicht, aber...Nun, wenn Sie Miss Starr vor der Polizei aufspüren können und ihr mitteilen, daß ich unter der Bedingung, die entwendeten Gegenstände zurückzuerhalten, bereit sei, das Vergangene vergangen sein zu lassen, will ich Ihnen ein anständiges Honorar zahlen.«
»Soll das heißen, daß Sie keinen Strafantrag stellen wollen?« fragte Bertha.
»In diesem Fall werde ich keinen Strafantrag stellen und Miss Starr überdies eine Belohnung in bar auszahlen«, erklärte Dr. Devarest.
»Wieviel wollen Sie ihr geben?«
»Tausend Dollar.«
Dr. Devarest nahm mich zum Abendessen mit in seine Wohnung. Als er mich den Mitgliedern seiner Familie vorstellte, zeigte er keinerlei falsche Scheu. Ich war Privatdetektiv, und er hatte mich damit beauftragt, die Nachforschungen der Polizei zu ergänzen.
Der Anblick des Hauses bestätigte meinen Eindruck, den ich von ihm gewonnen hatte. Es hatte Geld gekostet, dieses Haus zu bauen, und es kostete weitere Summen, es zu unterhalten. Es war im spanischen Stil gehalten, mit weißem Stuck und roten Ziegeln auf dem Dach, handgeschmiedeten Gittern um die Veranda, einem gepflegten Vorgarten und einem besonderen Flügel für das Personal. Es war mit Orientteppichen, mehreren Badezimmern, großen Fenstern und schweren Portieren ausgestattet und hatte einen großen Patio mit Springbrunnen und Goldfischteich. Alles atmete eine Atmosphäre gesicherten Wohlstandes.
Mrs. Devarest hatte Speckfalten unter dem Kinn und vorstehende Augen. Sie liebte Essen und Trinken sehr. Bei Tisch führte sie eine alberne Konversation. Mit Vornamen hieß sie Colette.
Im Hause lebten noch zwei Angehörige ihrer Familie. Der eine war Jim Timley, ein bronzebraun gebrannter junger Mann. Sein dünnes Haar, nur noch spärlich vorhanden, war dunkel und kurz geschnitten. Es wirkte, als wäre es von zu viel Sonne völlig verdorrt. Aber seine klaren, haselnußbraunen Augen hatten einen festen Blick, sein Mund war gut geformt, und wenn er lächelte, zeigte er ebenmäßige, weiße Zähne. An der Art, wie er meine Hand ergriff, erkannte ich, daß er sich viel im Freien aufhielt und Sport trieb. Er war ein Neffe von Mrs. Devarest, ein Sohn ihres verstorbenen Bruders.
Bei dem anderen Familienmitglied handelte es sich um eine Nichte von Mrs. Devarest, eine Mrs. Nadine Croy. Sie hatte eine etwa dreijährige Tochter namens Selma. Selma hatte bereits in ihrem Kinderzimmer zu Abend gegessen und war zu Bett gebracht worden. An diesem Abend lernte ich sie daher nicht mehr kennen. Von Mrs. Croy, Tochter einer Schwester von Mrs. Devarest, gewann ich den Eindruck, daß sie Geld besaß. Sie mochte etwa neunundzwanzig sein. Aus Rücksicht auf ihre Figur hielt sie sich offensichtlich im Essen zurück. Der Ausdruck ihrer großen, dunklen Augen ließ darauf schließen, daß sie Kummer oder Sorgen hatte. Da niemand Mr. Croy erwähnte, unterließ ich es, nach ihm zu fragen.
Bei Tisch bedienten ein Butler und zwei recht unscheinbare Serviermädchen. Im Hause war dann noch ein Mädchen namens Jeannette mit einer reizvollen Figur. Ich erfuhr ferner, daß Mrs. Devarest auch einen Chauffeur beschäftigte, den ich aber nicht zu sehen bekam, da er seinen freien Abend hatte. Mrs. Devarest legte großen Wert auf eine umfangreiche Dienerschaft und angemessenes gesellschaftliches Auftreten. Hingegen ließ sich Dr. Devarest ungern bedienen. Er schätzte seine Ruhe, wenn es ihm schon einmal gelang, seiner Praxis zu entfliehen, was offenbar
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