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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Beavan
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Papierserviette nicht herumkam, an diesem Tag auf die Pizza. Aber ich war nicht glücklich.
    Ich ging weiter die Fourteenth Street entlang. An der Ecke Third Avenue stand ein Typ in einem BMW an der Ampel. Plötzlich wallte Zorn in mir auf. Und Selbstgerechtigkeit. Dieser Idiot vergeudete Benzin und pumpte Kohlendioxid in die Luft, obwohl es in dieser Stadt hervorragende öffentliche Verkehrsmittel gab. Aber in Wirklichkeit war ich gar nicht wütend, sondern neidisch. Der Kerl saß da in seinem schicken Auto, ließ sich von seiner eingebauten Bose-Anlage berieseln, während sich hübsche Frauen, die die Straße überquerten, nach ihm umdrehten, und ich durfte in meinem selbst auferlegten Ökojahr nicht mal eine Pizza haben, wenn mir danach war.
    Wie fühlen sich die Menominee, wenn sie sich in Selbstbeherrschung üben und gleichzeitig zusehen müssen, wie Kimberley-Clark und Konsorten Millionen damit scheffeln, dass sie jeden Baum fällen, der ihnen vor die Nase kommt, um daraus Pappteller für Pizza zu machen? Verspüren sie Selbstmitleid? Haben sie dasselbe Gefühl wie ich an jenem Tag – dass alle haben können, was sie wollen, nur sie nicht? Ich bezweifle es. Mittlerweile haben sie bestimmt begriffen, dass es sich lohnt, so zu leben, wie sie es tun.
    Denn die Menominee wissen, dass sie in hundert Jahren sogar noch mehr Bäume haben werden als jetzt, die sie fällen können. Bei den 2000 Bäumen, die im Regenwald des Amazonas pro Minute gefällt werden, dürfte das für Kimberley-Clark und unsereins anders aussehen. Das ist die Belohnung für die Menominee. Bleibt die Frage: Was ist die Belohnung für mich?
     
    Michelle kam zur Tür hereingestürzt, einen großen Plastikbecher mit irgendeinem knallrosa Zeug in der Hand.
    »Ich habe großartige Neuigkeiten«, verkündete sie strahlend.
    »Nämlich?«, erwiderte ich mit einem misstrauischen Blick auf den verbotenen Plastikbecher.
    »Ich habe die perfekte No-Impact-Diät entdeckt.«
    Die Sache ist nämlich die: Michelle ist eine von diesen typischen mediensüchtigen New Yorker Glamour-Fashionistas. Für sie besteht ein gelungener Abend aus einem Treffen mit zehn Freundinnen im Pastis, wo sie Kleider, Männer und Diäten durchhecheln, vermutlich in dieser Reihenfolge. Michelle und ihre Freundinnen sind wahre Meister darin, noch unbekannte Designer-Outlets auszuspionieren, und überaus experimentierfreudig, wenn es darum geht, Diäten auszuprobieren, mit deren Hilfe sie dann in die ergatterten Kleidungsstücke hineinpassen.
    In der Woche, bevor wir mit dem Experiment begannen, war sie aus Panik vor der drohenden Durststrecke noch mal zu einem Shopping-Trip losgezogen, von dem sie mit zwei Paar wirklich schönen Lederstiefeln zurückkam, für die wir allerdings eine kleine, ohnehin stillgelegte Rentenversicherung auflösen mussten. Mit anderen Worten, das No Impact Project fiel ihr nicht leicht. Aber sie machte mit. Und sie war durchaus aufgeschlossen, was den Ausgang des Projekts betraf.
    Bei ihrer letzten Hightech-Diät hatte sie einer Ernährungsberaterin einen Haufen Geld dafür bezahlt, dass sie einen Monat lang Astronautenkost in kleinen Alupackungen essen durfte, die man nur mit etwas Wasser anrühren musste. Diesmal handelte es sich offenbar um Saftfasten. Sie kam gerade von einem Laden namens Juiceteria an der Third Avenue, ein Tipp von ihrer Freundin Tara.
    »Ich weiß, ich weiß. Das ist ein Wegwerfbecher«, sagte Michelle. »Aber ich habe mit der Verkäuferin gesprochen, und sie unterstützt unser Projekt. Sie hat gesagt, ich kann meinen eigenen Becher oder eine Flasche mitbringen.«
    Ich zwang mich zu einem Lächeln.
    Es ist nämlich so, während meine Großeltern ihr nettes kleines Haus in Westport hatten, bemühten sich Michelles Großeltern mütterlicherseits, alles dafür zu tun, dass ihre Kinder es einmal besser hatten als sie selbst auf ihrer Farm im Mittleren Westen. Sie rackerten sich ein Leben lang ab, um dem mageren Boden einen Ertrag abzuringen. Als Michelles Eltern es dann endlich geschafft hatten, in die Stadt zu ziehen und reich zu werden, war es für sie ein Symbol für die überwundene Plackerei, sich jederzeit alles kaufen zu können (wie zum Beispiel diesen Saft). In gewisser Weise war es sogar ein Ausdruck der Dankbarkeit für das Glück, das sie gehabt hatten. Die Freiheit des Kaufens war ein Beweis für die harte Arbeit der Familie.
    Ist dieser Ausdruck von Identität weniger gut oder wertvoll oder nachvollziehbar als die Sparsamkeit

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