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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Beavan
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in dem Moment, als ihm das Wasser bis zum Hals stand, das Rote Meer sich teilte.
Mir wird wieder bewusst, dass es bei dem Projekt nicht darum geht, herumzusitzen und darüber nachzudenken,
ob
ich überhaupt irgendwas ausrichten kann, sondern darum, loszulegen und auszuprobieren,
was
ich ausrichten kann.
Ob es nun die menschliche Natur ist, die sich ändern muss, oder unser industrielles System – wenn es darum geht, die Welt zu retten, lautet die Frage nicht, ob ich etwas ändern kann, sondern ob ich bereit bin, es zu versuchen.
Bin ich bereit, es zu versuchen?
 
     
    Hier noch ein kleines Gedankenexperiment, das mich einfach nicht loslässt:
    Wir wissen, dass beim Herstellungsprozess für all die Materialien, die schließlich als Produkt in die Geschäfte kommen, die siebzigfache Menge an Materialien verpulvert worden ist. Wenn man das mal durchrechnet, führt das zu dem Schluss, dass von all den Rohstoffen, die verwendet werden, um Konsumprodukte herzustellen, lediglich 1,5 Prozent tatsächlich in unseren Händen landen. Die restlichen 98,5 Prozent dessen, was wir aus der Erde, den Flüssen und den Wäldern saugen, werden direkt auf die Halde oder in die Verbrennungsanlage transportiert, ohne dass wir sie je benutzt hätten.
    Ich bin kein Ökonom und kein Produktionsanalytiker, und ich nehme an, die Sache ist nicht so einfach, wie ich sie hier darstelle, aber aus meiner Warte bedeutet das, von all dem Wasser und der Luft, die dieser Industriesektor verschmutzt, von all den Wäldern, die er abholzt, von all dennatürlichen Lebensräumen, die er zerstört, von all den Treibhausgasen, die er verursacht, kurz: vom gesamten ökologischen Schaden, den die Produktherstellung verursacht, sind 98,5 Prozent Industriemüll, den der Verbraucher nie auch nur zu Gesicht bekommt.
    Und jetzt kommt mein kleines Gedankenexperiment:
    Nehmen wir mal an, wir bitten die Hersteller, ihren Müll nur um 1,5 Prozent zu reduzieren. »He, Leute«, könnten wir sagen, »schraubt das Ganze doch mal ein kleines bisschen runter. Unser Vorschlag: Ihr dürft gerne weiterhin 97 Prozent von dem, was ihr dem Planeten abzapft, auf den Müll werfen. Wir wollen nur, dass ihr euren Müll um 1,5 Prozent verringert.« Ich finde, das wäre keine allzu unverschämte Bitte.
    Aber jetzt kommt’s: Wenn sie nur diese läppischen 1,5 Prozent weniger vergeuden würden, würde die Menge der Rohstoffe, die tatsächlich zu Produkten verarbeitet werden können, von 1,5 Prozent (bei 98,5 Prozent Müll) auf 3 Prozent (bei Reduktion auf 97 Prozent Müll) ansteigen. Und das ist unglaublich viel. Denn diese Verdoppelung der Ressourcen bedeutet, dass die Industrie für die Herstellung derselben Menge an Produkten nur halb so viele Bäume fällen, nur halb so viele Berge sprengen, nur halb so viele Flüsse verschmutzen und halb so viele Treibhausgase in die Luft jagen müsste. Und was müsste sie dafür tun? Ihren Müll von 98,5 Prozent auf 97 Prozent senken. Das wäre doch wirklich nicht zu viel verlangt, oder?
     
    Als ich der Pizzeria den Rücken zukehrte, war ich wütend, weil ich das Gefühl hatte, alle könnten haben, was sie wollten, nur ich nicht. Plötzlich war ich wieder der zehnjährige »Habenichts« aus der Küstenstadt meiner Kindheit, der seinem Klassenkameraden Skippy Manchester das Motorboot und das Minibike neidete.
    Aber dieses Gefühl ließ sich nicht mit meiner Vergangenheit als vergleichsweise armes Kind erklären. Denn Michelle ist in einem Millionärshaushalt aufgewachsen,wohnte in der zehntgrößten Villa von Bismarck, North Dakota, und war quasi der Skippy Manchester ihrer Stadt. Aber laut ihrer eigenen Aussage hat sie sich die eine Hälfte der Zeit gewünscht, sie würde in einem flachen Haus im Ranchstil wohnen wie »normale« Leute, und die andere Hälfte, dass sie in einem Golfmobil über das Familienanwesen fahren könnte wie ihre noch reicheren Freundinnen.
    Michelle und ich sprachen über diese Dinge, weil das Experiment uns zwang, unsere alltäglichen Wünsche unter die Lupe zu nehmen, was wir sonst nie taten. Wir sprachen darüber, dass das reiche Kind und das arme Kind – sie und ich – gleichermaßen von Sehnsüchten und Neid geplagt waren. Wir sprachen darüber, dass jeder Mensch, ganz gleich, in welcher Lebenssituation er sich befindet, unablässig Wünsche hat und dass dieses Habenwollen eine Art Perpetuum Mobile in unserem Kopf ist.
    Nachdem mir diese Tatsache bewusst geworden war, erkannte ich, dass das Habenwollen nicht

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