Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
gefunden, die so leicht und dünn waren, dass man ihr Gewicht nicht abzuziehen brauchte, wenn man Pasta aus dem Großbehälter hineinfüllte und sie beim Bioladenauf die Waage legte. Sogar meine einstige Nemesis, die Kassiererin, hatte im Stillen angefangen mich zu mögen. Der Mülleimer unserer Familie und sogar unsere Recyclingtonne waren gähnend leer. Ich hatte allmählich das Gefühl, ich könnte es schaffen. Es würde das reinste Kinderspiel werden. Dachte ich.
Doch dann kam der Tag, als ich in der Fourteenth Street an einer Pizzeria vorbeikam und sehnsüchtig hineinschaute. Nicht hungrig. Sehnsüchtig. Im Grunde war es nur ein Gelüst. Und vor dieser No-Impact-Geschichte wäre ich einfach hineinmarschiert, hätte mir eine Pizza bestellt und sie im Stehen von dem nunmehr verbotenen Pappteller gegessen. Dasselbe galt für ein Mineralwasser in einer nunmehr verbotenen Plastikflasche. Dasselbe galt für beinahe alles, wonach mich gelüstete.
Aber an dem Tag erwog ich ernsthaft zu schummeln.
Als Einwohner von New York City hatte ich eigentlich immer das Gefühl gehabt, mir meine Wünsche erfüllen zu können, sobald ich sie hatte. Doch damit war Schluss. Um keinen Müll zu produzieren, hatte ich in den vergangenen Wochen etliche Male verzichten müssen.
Auf einen Bagel mit Tofu und Schalotten von Bagel Bob’s, der in Wachspapier eingeschlagen war. Auf eine Flasche Selters. Auf einen Kräutertee im Pappbecher in der News Bar. Sogar auf einen in Alufolie eingewickelten Hershey’s Kiss in der Essecke vom Writers Room, wo ich arbeite. Keine Erdnüsse. Keine Kartoffelchips. Kein Popcorn im Kino. Offenbar ist alles in unserem Universum einzeln verpackt. Und wenn man nicht bereit ist, fünf Minuten nach dem Kauf eine Handvoll Verpackungsmüll wegzuwerfen, den man nicht mal benutzt hat, guckt man in die Röhre.
»Großer Gott, Mann«, sagte Scott Simon vom National Public Radio bei einem Interview für
Talk of the Nation
zu mir, »ich dachte, man lebt in New York, um das Leben zu genießen!«
»Da haben Sie verdammt recht!«, hätte ich entgegnet, wenn er es an diesem Tag zu mir gesagt hätte. Ich hatte dasGefühl, Verzicht leisten zu müssen, weil andere Leute Entscheidungen getroffen hatten, die der Umwelt schadeten. Es gab keinen vernünftigen Grund dafür, dass Pizza auf einem Pappteller serviert werden musste, der aus einem toten Baum hergestellt worden war. Konnten die Genies unserer Kultur nicht eine ökologisch vertretbare Variante für solche Dinge finden? In dem Moment kam es mir so vor, als müsste ich für die Fehler des Systems büßen.
Ja, ich hatte die Ronnybrook Farm entdeckt, eine Molkerei mit einem Stand auf dem Bauernmarkt, die Milch in Mehrweg-Glasflaschen verkaufte. Ich war begeistert, dass ich losen Tofu gefunden hatte, den ich in meinen eigenen Behälter packen konnte, und Eierverkäufer, die ihre Kartons zurücknahmen und wieder verwendeten. Es gibt einige Kleinsysteme, die ohne Rohstoffverschwendung funktionieren, und es ist ein verdammt gutes Gefühl, einzukaufen und Mahlzeiten zu kochen, ohne dabei Müll zu produzieren. Und obendrein macht mir das Ganze noch einen Heidenspaß, weil es mir das Gefühl gibt, irgendwie subversiv zu sein und »denen da oben« den Stinkefinger zu zeigen.
Aber irgendwann kommt der Moment, wo man einfach nur eine Pizza will, auch wenn der Typ hinter dem Tresen sie nicht in einer ökologisch vertretbaren Weise serviert. Was ich bis zu dem Zeitpunkt erreicht hatte, bestand im Wesentlichen aus Recherche und Planung, wo man was unverpackt einkaufen konnte. Auf die Pizza zu verzichten (und auf den Pappteller) hatte eher damit zu tun zu akzeptieren, dass ich, wenn ich umweltschonend leben wollte, nicht mehr alles zu jedem beliebigen Zeitpunkt haben konnte. Da unser System nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt war, musste ich gegen den Strom schwimmen, und manchmal verließ mich dabei die Kraft.
Selbstbeherrschung. So ein Scheiß!
So ähnlich müssen sich die Menominee in den Hunderten von Jahren, die sie ihre Wälder nun schon nutzen und pflegen, auch etliche Male gefühlt haben. Bestimmt gab es immer wieder Zeiten, wo sie mehr haben wollten, es sichaber verkneifen mussten, Zeiten, in denen genug nicht genug schien. Aber wie sollten sie ihr Holzgeschäft weiterführen, wenn sie zu viele Bäume fällten? Wie sollte ich aus diesem Experiment lernen, wenn ich jedem Verlangen, das mich überkam, nachgab?
So verzichtete ich, da ich um den Pappteller und die
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