Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Schildkröten buchstäblich wie Blei im Magen, und so hatte ich an diesem Morgen voller Stolz eine andere Lösung gefunden.
Ich hatte nämlich zu Hause nicht nur die Stofftaschen aus dem Schrank gefischt, sondern auch ein paar leere Vorratsgläser eingepackt, um darin Reis, Kaffee und frisch angerührte Erdnussbutter abzufüllen. Ich hatte die Vorratsgläser sogar vorher gewogen, damit ich wusste, wie viel die Kassiererin beim Wiegen abziehen musste, nachdem ich sie gefüllt hatte.
Ich marschierte also in den Bioladen, schaufelte diverse Lebensmittel in meine Gläser und war mächtig stolz auf mich. Ich hatte meine neue Ökoheimat gefunden, die zukünftige Versorgungsstätte für die Ernährungsbedürfnisse meiner Familie.
Mit meinen gefüllten Gläsern wanderte ich zur Kasse. Als ich an die Reihe kam, stellte ich meine Gläser auf den Tresenund lächelte die junge Frau an der Kasse an, voller Vorfreude auf ihr ermunterndes Lob angesichts meiner ökologischen Bemühungen.
»Was soll das denn?«, fragte sie mit einem ratlosen Blick auf die Gläser.
Ich erklärte ihr die Sache mit den Plastiktüten und zeigte ihr das Gewicht der Gläser, das ich mittels Klebeetikett auf den Deckel geschrieben hatte. Sie rief daraufhin den Geschäftsführer, weil sie nicht wusste, wie sie das Gewicht bei der Berechnung abziehen sollte. Obwohl mich die wachsende Schlange hinter mir ein wenig nervös machte, wartete ich noch immer auf einen anerkennenden Kommentar der Kassiererin, weil ich keine Plastiktüten verwendete.
Doch der kam nicht.
Wissen Sie, was sie stattdessen tat?
Sie seufzte.
Dann sah sie mich an. Dann die Gläser. Dann wieder mich. Und wissen Sie, was sie dann tat? Sie verdrehte die Augen.
Seit ich von der Philosophie der Menominee gehört und beschlossen hatte, mein Leben für ein Jahr zumindest ansatzweise daran auszurichten, hatte ich sie in meiner Vorstellung idealisiert. Sie waren zu meinem Symbol für ein gutes und glückliches Leben geworden, das die Ressourcen unseres Planeten schont. An diesem Tag jedoch beschäftigte mich eine Frage: Litten die Menominee unter Glaubenskrisen? Denn ich erlebte gerade meine erste.
Die Philosophie der Menominee verlangte, wie McDonough und Braungart in ihrem Buch
Einfach intelligent produzieren
darlegen, dass sie nie mehr Holz schlugen, als ihre Wälder ihnen geben konnten, ohne Schaden zu nehmen. Doch was war in Jahren des Hungers oder der Dürre? Was taten sie, wenn die Holzpreise so in den Keller gingen, dass sie ihre Kinder nicht mehr satt bekamen? Was taten sie, wenn Verlangen und Besitzgier sie überkamen?
Gut, mittlerweile waren ein paar Wochen vergangen, seitdie Kassiererin im Bioladen mich so finster angesehen hatte, und ich hatte schon eine Menge Fortschritte gemacht.
Wir ließen uns kein Essen mehr liefern. Wir hatten die Zeitungen abbestellt. Kauften, so weit wie möglich, nichts Verpacktes mehr. Hatten unsere Namen auf die Bitte-keine-Werbung-Liste gesetzt. Brachten Kleidungsstücke zum Schneider, wenn sie kaputt waren, anstatt sie wegzuwerfen. Nahmen unsere eigenen, wiederverwertbaren Behälter mit, wenn wir mal keine Lust zum Kochen hatten und uns doch was vom Chinesen/Inder/Mexikaner an der Ecke holten. Benutzten statt Papiertüchern aussortierte T-Shirts und dergleichen. Holten alte Manuskripte von meinem Verleger und benutzten die Rückseite als Notizpapier. Hatten immer ein Stofftuch dabei, um Dinge einzuwickeln, uns den Mund abzuwischen oder die Hände abzutrocknen, wenn wir unterwegs waren.
Außerdem nahmen wir immer unseren eigenen Becher mit. Akzeptierten, dass wir auf Kaffee verzichten mussten, wenn wir den Becher vergessen hatten. Tranken kein Wasser aus Flaschen mehr, sondern füllten stattdessen unsere Becher mit Leitungswasser. Ersetzten Wegwerfprodukte wie Plastikkugelschreiber und Einmalrasierer durch dauerhafte Modelle (Füllfederhalter und Rasiermesser). Freuten uns über unsere schlankere Taille, weil wir so gut wie keine (in Plastik verpackten) Chips mehr aßen, ganz zu schweigen von Ben & Jerry’s Eiscreme.
Ich hatte sogar meinen ökologischen guten Willen bewiesen, indem ich mich mit Michelle darüber gestritten hatte, ob sie statt Tampons nicht eine von diesen wiederverwendbaren Menstruationskappen aus Silikon benutzen könnte. (Ich zog den Kürzeren, aber irgendwann würde ich sie schon mürbe kriegen.)
Keiner dieser Schritte war allzu mühsam oder unangenehm. Ich hatte sogar kleine Zugbeutel aus organischem Musselin
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